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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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Vergnügen, die Bekanntschaft eines Onkels zu machen. Ich hoffe wirklich, mein Traktat sagt Ihnen zu und schockiert Sie nicht über die Maßen. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag.«
    Er reagierte mit nichts als einem Nicken.
    Alma wandte sich zur Tür. »Komm, Roger«, sagte sie, ohne sich umzudrehen.
    Sie hielt die Tür auf und wartete, doch der Hund rührte sich nicht von der Stelle.
    »Roger«, sagte Alma strenger und drehte sich nun doch zu ihm um. »Komm her.«
    Doch der Hund machte keine Anstalten, sich von Onkel Dees’ Füßen zu erheben.
    »Na los, Hund«, sagte Dees ohne großen Nachdruck und ohne sich selbst auch nur zu rühren.
    »Roger!«, rief Alma und bückte sich, um ihn unter dem Schreibtisch besser sehen zu können. »Nun komm schon, stell dich nicht so an!«
    Nie zuvor hatte sie nach ihm rufen müssen; er war ihr immer ohne weiteres gefolgt. Doch nun legte er die Ohren an und verharrte eisern, wo er war. Er wollte offensichtlich nicht gehen.
    »So etwas hat er noch nie gemacht«, entschuldigte sie sich. »Ich werde ihn hinaustragen.«
    Doch da hob ihr Onkel die Hand. »Vielleicht kann der kleine Kerl ja ein, zwei Nächte hier bei mir bleiben«, schlug er betont beiläufig vor, als wäre es ihm alles in allem recht gleichgültig. Er sah Alma dabei nicht einmal an. Und für einen kurzen Augenblick wirkte er wie ein kleiner Junge, der seine Mutter zu überreden versucht, dass er einen Streuner behalten darf.
    Aha, Onkel Dees, dachte Alma. Jetzt sehe ich dich.
    »Aber natürlich«, sagte sie. »Wenn es Ihnen auch wirklich keine Umstände macht?«
    Dees zuckte ganz unbeteiligt die Achseln und spießte ein weiteres Stück wentelteefje auf.
    »Wir kommen schon zurecht«, sagte er und fütterte den Hund noch einmal, direkt von der Gabel.
    •
    Alma entfernte sich schnellen Schrittes vom Hortus Botanicus und ging in Richtung Hafen. Sie wollte keine Droschke nehmen; sie war viel zu beflügelt, um jetzt in einer Kutsche zu sitzen. Sie ging mit leeren Händen und leichtem Herzen und fühlte sich ein wenig erschüttert, dabei aber quicklebendig. Und hungrig. Immer wieder wandte sie sich aus reiner Gewohnheit nach Roger um, doch der trottete nicht hinter ihr her. Lieber Himmel, sie hatte gerade nicht nur ihren Hund, sondern auch ihr Lebenswerk bei diesem Mann gelassen, nach einer knapp viertelstündigen Unterredung!
    Welch eine Begegnung! Welch ein Risiko!
    Doch es war ein Risiko, das sie eingehen musste, denn genau hier wollte Alma sein – wenn schon nicht im Hortus Botanicus, dann doch hier in Amsterdam oder zumindest hier in Europa. Während ihrer Zeit in der Südsee hatte sie die nördliche Hemisphäre aus tiefstem Herzen vermisst. Sie vermisste den Wechsel der Jahreszeiten und das harte, helle, belebende Sonnenlicht des Winters. Sie vermisste die Anforderungen eines kalten Klimas und auch die Anforderungen des Geistes. Sie war einfach nicht für die Tropen gemacht – weder von der Hautfarbe noch von der Konstitution. Manche Menschen liebten Tahiti, weil es ihnen wie ein Garten Eden erschien – wie der Anbeginn der Geschichtsschreibung. Doch Alma wollte nicht am Anbeginn der Geschichtsschreibung leben; sie wollte am jüngsten Punkt der Menschheitsgeschichte leben, auf dem Gipfel von Erfindungsgeist und Fortschritt. Sie wollte kein Land der Geister und Gespenster bewohnen; sie wünschte sich eine Welt der Telegraphen, der Züge, der Neuerungen, eine Welt der Theorie und der Wissenschaft, wo sich tagtäglich etwas veränderte. Sie sehnte sich danach, wieder in einem ernsthaften, produktiven Umfeld zu arbeiten, unter ernsthaften, produktiven Menschen. Sie sehnte sich nach Annehmlichkeiten wie überfüllten Bücherschränken, Sammelgläsern, Papier, das nicht sogleich dem Schimmel anheimfiel, und Mikroskopen, die nicht über Nacht verschwanden. Sie sehnte sich danach, die neuesten wissenschaftlichen Publikationen zu lesen. Sie sehnte sich nach Gleichgesinnten.
    Vor allem aber sehnte sie sich nach einer Familie – und zwar nach der Art Familie, mit der sie aufgewachsen war: scharfsinnig, neugierig, anspruchsvoll und intelligent. Sie wollte sich wieder wie eine Whittaker unter Whittakers fühlen. Doch da auf Erden keine Whittakers mehr zu finden waren – mit Ausnahme von Prudence Whittaker Dixon, die mit ihrer Schule beschäftigt war, und mit Ausnahme jener Angehöriger des unbekannten, barbarischen Clans ihres Vaters, die noch nicht in einem englischen Gefängnis gestorben waren –, wollte sie nun eben

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