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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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Er wirkte so ungeheuer alt und so ungeheuer ernst.
    »Ich bin inmitten von holländischen Tulpen aufgewachsen«, fuhr sie fort. »Sie stammten alle von jenen Zwiebeln ab, die meine Mutter hier aus dem Hortus mit nach Philadelphia genommen hatte.«
    Er sagte immer noch nichts. Roger seufzte, drehte sich um und schmiegte sich noch enger an Dees’ Beine.
    Nach einiger Zeit änderte Alma ihre Taktik. »Ich sollte Ihnen auch sagen, dass Hanneke de Groot noch am Leben ist. Ich glaube, Sie kannten sie vor langer Zeit.«
    Ein neuer Ausdruck trat in die Miene des alten Mannes: Staunen.
    »Hanneke de Groot«, sagte er voller Verwunderung. »Ich habe seit Jahren nicht mehr an sie gedacht. Hanneke de Groot? Man denke …«
    »Es dürfte Sie freuen zu hören, dass Hanneke wohlauf und bei bester Gesundheit ist«, sagte Alma. In dieser Äußerung war ein gewisses Maß an frommem Wünschen enthalten, denn Alma hatte Hanneke seit drei Jahren nicht mehr gesehen. »Sie ist immer noch Wirtschafterin auf dem Anwesen meines verstorbenen Vaters.«
    »Hanneke war die Bedienstete meiner Schwester«, sagte Dees. »Sie war noch sehr jung, als sie zu uns kam. Eine Zeitlang war sie mir so etwas wie ein Kindermädchen.«
    »Ja«, sagte Alma. »Auch mir war sie etwas wie ein Kindermädchen.«
    »Dann hatten wir beide großes Glück«, sagte er.
    »Der Ansicht bin auch ich. Ich zähle es zu den großen Segnungen meines Lebens, meine Kindheit in Hannekes Obhut verbracht zu haben. Sie hat mich fast ebenso sehr geprägt, wie meine Eltern mich geprägt haben.«
    Die Musterung ging weiter. Diesmal unternahm Alma nichts, um das Schweigen zu brechen. Sie sah zu, wie ihr Onkel eine Gabel voll wentelteefje nahm und sie in seinen Kaffee tunkte. Er ließ sich den Happen genüsslich schmecken, ohne dass auch nur ein Tropfen oder Krümel danebengegangen wäre. Alma musste unbedingt herausfinden, wo man solch wunderbare wentelteefje bekommen konnte.
    Schließlich wischte Dees sich mit einer schmucklosen Serviette den Mund und sagte: »Ihr Holländisch ist gar nicht übel.«
    »Besten Dank«, sagte sie. »Als Kind sprach ich es häufig.«
    »Wie ist es um Ihre Zähne bestellt?«
    »Recht gut, vielen Dank«, sagte Alma. Sie hatte vor diesem Mann nichts zu verbergen.
    Er nickte. »Die van Devenders haben alle gute Zähne.«
    »Ein vorteilhaftes Erbe.«
    »Hat meine Schwester neben Ihnen noch weitere Kinder?«
    »Sie hat noch eine weitere Tochter – eine angenommene Tochter. Meine Schwester Prudence, die inzwischen im einstigen Anwesen meines Vaters eine Schule leitet.«
    »Angenommen«, wiederholte er ausdruckslos.
    »Meine Mutter war leider nicht mit großer Fruchtbarkeit gesegnet«, erläuterte Alma.
    »Und wie steht es mit Ihnen?«, fragte er. »Haben Sie Kinder?«
    »Wie meine Mutter, so bin auch ich nicht mit Fruchtbarkeit gesegnet«, sagte Alma. Das stellte die Situation zwar keineswegs korrekt dar, doch es beantwortete immerhin die Frage.
    »Und einen Mann?«, fragte er.
    »Er ist leider verstorben.«
    Onkel Dees nickte, sprach jedoch kein Beileid aus. Das amüsierte Alma: Genau so hätte auch ihre Mutter reagiert. Fakten sind Fakten. Tot ist tot.
    »Und Sie, Mijnheer?«, wagte sie zu fragen. »Gibt es eine Frau van Devender?«
    »Die ist tot.«
    Alma nickte, so wie auch er zuvor genickt hatte. Es mochte ein wenig merkwürdig anmuten, doch sie genoss dieses offene, unverblümte, sprunghafte Gespräch in vollen Zügen. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wohin all dies führen und ob sich ihr Schicksal nun mit dem dieses alten Mannes verflechten würde, und doch fühlte sie sich wieder ganz und gar auf vertrautem Boden – auf holländischem Van-Devender-Boden. Seit einer Ewigkeit hatte sie sich nicht mehr so zu Hause gefühlt.
    »Wie lange planen Sie, in Amsterdam zu bleiben?«, fragte Dees.
    »Auf unbestimmte Zeit«, sagte Alma.
    Damit hatte er sichtlich nicht gerechnet. »Falls Sie Almosen wollen«, sagte er, »da können wir Ihnen nichts bieten.«
    Alma lächelte. Ach, Beatrix, dachte sie, wie ich dich doch all die Jahre vermisst habe.
    »Ich benötige keine Almosen«, sagte sie. »Mein Vater hat mir genügend hinterlassen.«
    »Und welchen Zweck hat dann Ihr Aufenthalt in Amsterdam?«, fragte er mit unverhohlenem Argwohn.
    »Ich möchte hier im Hortus Botanicus arbeiten.«
    Echte Bestürzung malte sich auf Dees’ Gesicht. »Um Himmels willen!«, rief er. »In welcher Funktion denn?«
    »Als Botanikerin. Genauer gesagt als Bryologin.«
    »Als

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