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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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Aktes seitens Prudence werden sollen, und das konnte sie nicht vergessen. Prudence hatte stillschweigend ihre große Liebe aufgegeben – in der Hoffnung, George Hawkes werde stattdessen Alma heiraten und Alma somit von dieser Ehe profitieren . Die Tatsache, dass Prudence’ Opfer ganz und gar vergeblich gewesen war, nahm ihm nichts von seiner ehrlichen Absicht.
    Warum tat ein Mensch so etwas?
    Aus moralischer Sicht konnte Alma diese Frage beantworten ( weil Prudence ein mitfühlender, selbstloser Mensch ist ), nicht aber vom biologischen Standpunkt aus ( warum gibt es so etwas wie Mitgefühl und Selbstlosigkeit überhaupt? ). Alma verstand durchaus, weshalb ihr Onkel sich jedes Mal den Bart raufte, wenn der Name Prudence fiel. Sie begriff, wie sich das tragische Dreiecksverhältnis zwischen Prudence, George und ihr im Vergleich mit der gesamten Menschheits- und Naturgeschichte ausnahm: so klein und unbedeutend, dass es beinahe lächerlich schien, es überhaupt zur Sprache zu bringen (noch dazu im Rahmen einer wissenschaftlichen Debatte). Und dennoch – die Frage blieb.
    Warum tat ein Mensch so etwas?
    Wann immer Alma an Prudence dachte, musste sie sich diese Frage stellen und dann hilflos zusehen, wie ihre Theorie von der Veränderung durch Konkurrenz vor ihren Augen in sich zusammenfiel. Denn Prudence Whittaker Dixon war schließlich kein Einzelfall. Warum handelte überhaupt irgendjemand aus einem anderen Beweggrund als niedrigem Eigennutz? Alma konnte noch halbwegs überzeugend argumentieren, warum beispielsweise Mütter Opfer für ihre Kinder brachten (das sicherte den Fortbestand des Familienzweigs), allein, sie konnte nicht erklären, weshalb ein Soldat sich den angreifenden Bajonetten entgegenwarf, um einen verwundeten Kameraden zu schützen. Inwiefern gereichte solch eine Tat dem tapferen Soldaten oder seiner Familie zu Nutzen oder Vorteil? Das tat es einfach nicht: Durch sein Opfer hatte der Soldat nicht nur seine eigene Zukunft, sondern auch den Fortbestand seiner Blutlinie zunichtegemacht.
    Ebenso wenig konnte Alma erklären, warum ein hungernder Gefangener sein Essen einem Zellengenossen überließ.
    Sie konnte auch nicht erklären, warum eine Frau in den Kanal sprang, um den Säugling einer anderen Frau zu retten und selbst dabei zu ertrinken – eine Tragödie, die sich unlängst ereignet hatte, nur eine Straße vom Hortus Botanicus entfernt.
    Alma konnte nicht sagen, ob sie sich in einer vergleichbaren Lage so edelmütig verhalten würde, doch andere taten dies fraglos – und gar nicht einmal so selten. Alma zweifelte keinen Augenblick daran, dass ihre Schwester – oder Reverend Welles, ein weiteres Beispiel übernatürlicher Güte – bereitwillig zugunsten anderer auf Nahrung verzichten würden und ebenso bereitwillig Leib und Leben riskieren, um einen fremden Säugling oder auch nur eine fremde Hauskatze zu retten.
    Ferner fand sich, soweit Alma es überblicken konnte, in der ganzen übrigen Welt der Natur keinerlei Analogie zu solch extremen Exempeln menschlicher Opferbereitschaft. Sicher, in einem Bienenstock, einem Wolfsrudel, einem Vogelschwarm oder auch einer Mooskolonie starben mitunter Einzelne zum größeren Wohl der Gruppe. Aber man hatte noch nie erlebt, dass ein Wolf einer Biene das Leben gerettet hätte. Man hatte noch nie beobachtet, dass ein Moospflänzchen den Tod gewählt und seinen kostbaren Wasservorrat aus reiner Wohltätigkeit einer Ameise überlassen hätte!
    Mit solchen Argumenten brachte Alma ihren Onkel zur Verzweiflung, wenn sie bis spät in die Nacht beieinandersaßen, Jahr für Jahr, und über diese Frage debattierten. Inzwischen schrieb man das Frühjahr des Jahres1858 , und sie debattierten immer noch.
    »Nun lass doch diese elenden Sophistereien!«, sagte Dees. »Bring die Abhandlung heraus, so wie sie ist.«
    »Ich kann nun einmal nicht anders, Onkel«, erwiderte Alma lächelnd. »Vergiss nicht – ich habe den Verstand meiner Mutter.«
    »Du strapazierst meine Geduld gewaltig, Nichte«, sagte er. »Bring die Abhandlung heraus, lass die Welt über das Thema diskutieren und uns endlich mit diesen ermüdenden Spitzfindigkeiten aufhören.«
    Doch Alma ließ sich nicht erweichen. »Wenn ich diese Lücke in meiner Argumentation erkenne, Onkel, dann sehen sie mit Sicherheit auch andere, und man wird meine Arbeit nicht ernst nehmen. Wenn die Theorie der Veränderung durch Konkurrenz tatsächlich zutrifft, dann muss sie für die gesamte Natur zutreffen, die Menschheit mit

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