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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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ihrer Schwester auf und verkündete: »Derweil habe auch ich in Bezug auf meine Person Neuigkeiten zu vermelden, Alma, was ich hiermit tue, da sie eine ähnliche Angelegenheit betreffen. Ich hatte beabsichtigt, das Ende der familiären Trauerzeit abzuwarten, ehe ich diesen Gegenstand zur Sprache bringe, doch wie ich sehe, hast du die Trauerzeit unserer Familie bereits für beendet erklärt.«
    Dabei tippte Prudence auf den rechten Oberarm ihrer Schwester, an dem sich kein schwarzes Band mehr befand, und Alma zuckte innerlich zusammen.
    »Auch ich habe mich verlobt«, fuhr Prudence ohne den leisesten Anflug von Freude oder Triumph fort. »Mr Arthur Dixon hat um meine Hand angehalten, und ich habe seinen Antrag angenommen.«
    Für einen Augenblick war Almas Kopf wie ausgeleert: Wer in Gottes Namen war Arthur Dixon? Glücklicherweise sprach sie die Frage nicht aus, denn im nächsten Moment war er ihr wieder gegenwärtig. Wie töricht von ihr. Arthur Dixon: ihr Hauslehrer. Der unglückliche junge Mann mit den Hängeschultern, der Prudence irgendwie die französische Sprache eingetrichtert und Alma freudlos dabei geholfen hatte, sich das Griechische einzuverleiben. Arthur Dixon, diese traurige Kreatur mit den feuchten Seufzern und dem sorgenvollen Hüsteln. Diese Verkörperung der Langeweile, dieses Gesicht, an das Alma nicht ein einziges Mal gedacht hatte, seit sie es das letzte Mal sah, und das war … wann eigentlich? Vor vier Jahren? Als er White Acre verließ, um Professor für alte Sprachen an der Universität von Pennsylvania zu werden? Nein, falsch, schoss es ihr durch den Kopf. Sie hatte Arthur Dixon erst unlängst gesehen, auf der Beerdigung ihrer Mutter. Sie hatte sogar mit ihm gesprochen. Er hatte ihr sein tief empfundenes Beileid ausgedrückt, und sie hatte sich gefragt, was um alles in der Welt er auf Beatrix’ Beerdigung suchte.
    Nun, jetzt wusste sie es. Er war offenbar mit dem Ziel gekommen, seiner früheren Schülerin den Hof zu machen, die, nebenbei bemerkt, die schönste junge Frau von ganz Philadelphia war und zudem – auch dies sollte gesagt sein – möglicherweise eine der reichsten.
    »Wann hat diese Verlobung stattgefunden?«
    »Kurz bevor unsere Mutter starb.«
    »Und wie?«
    »Nach herkömmlichen Gepflogenheiten«, erwiderte Prudence nüchtern.
    »Haben diese Ereignisse gleichzeitig stattgefunden?«, fragte Alma weiter. Die Vorstellung machte sie krank. »Hast du dich zu der Zeit mit Mr Dixon verlobt, als es auch zur Verlobung zwischen Retta Snow und George Hawkes kam?«
    »Von den Angelegenheiten anderer habe ich keine Kenntnis«, erwiderte Prudence. Doch dann wurde sie ein wenig umgänglicher und räumte ein: »Es scheint wohl tatsächlich so gewesen zu sein, zumindest gab es eine zeitliche Nähe. Zu meiner Verlobung scheint es einige Tage früher gekommen zu sein. Auch wenn dies nicht die geringste Bedeutung hat.«
    »Weiß Vater es?«
    »Er wird es früh genug erfahren. Arthur beabsichtigte, zunächst unsere Trauerzeit abzuwarten und alsdann um Vaters Erlaubnis zu bitten.«
    »Aber wie um alles in der Welt will er das anstellen, Prudence? Der arme Mann hat doch panische Angst vor Vater. Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen. Wie will Arthur es fertigbringen, dieses Gespräch zu überstehen, ohne vor lauter Panik die Besinnung zu verlieren? Und was gedenkst du den Rest deines Lebens zu tun – als Gattin eines Universitätsgelehrten ?«
    Prudence richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und strich sich die Röcke glatt. »Ich frage mich, ob dir bewusst ist, Alma, dass eine herkömmlichere Reaktion auf die Bekanntmachung einer Verlobung doch wohl darin besteht, der zukünftigen Braut Jahre des Glückes und der Gesundheit zu wünschen – insbesondere, wenn es sich bei der zukünftigen Braut um die eigene Schwester handelt.«
    »Oh, Prudence, ich bitte um Verzeihung …«, stammelte Alma, zum x-ten Mal an diesem Tag zutiefst beschämt.
    »Lass es gut sein«, antwortete Prudence und wandte sich zur Tür. »Ich hatte nichts anderes erwartet.«
    •
    In unser aller Leben gibt es Tage, die wir am liebsten aus dem Gedächtnis unserer Existenz streichen würden. Vielleicht hegen wir diesen Wunsch, weil ein bestimmter Tag so verheerenden Kummer über uns brachte, dass wir den Gedanken daran nicht ertragen können. Oder wir möchten den Mantel des Vergessens über ein Ereignis legen, das uns zutiefst beschämt: Möglicherweise war unser Verhalten über die Maßen selbstsüchtig oder

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