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Das Wesen. Psychothriller

Das Wesen. Psychothriller

Titel: Das Wesen. Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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und dabei mussten wir vorsichtig sein, denn einen Durchsuchungsbeschluss hatten wir noch immer nicht. Im Grunde war alles, was wir in diesem Moment taten, am Rande der Legalität. Lichner hätte gleich am Morgen einem Untersuchungsrichter vorgeführt werden müssen. Und was wir gerade von der Nachbarin erfahren hatten, veränderte die Fakten aus Sicht eines Richters nicht unbedingt zu unseren Gunsten, im Gegenteil, wir hätten spätestens zu diesem Zeitpunkt erst einmal abbrechen müssen. Hätten …
    Menkhoff ging mit einer derart grimmigen Entschlossenheit zur Sache, dass ich zu der Überzeugung kam, dass das, was er gerade erfahren hatte, ihn noch mehr motiviert hatte, statt ihn zu beruhigen. Er ging zwar behutsam vor, ließ aber kein kleinstes Eckchen aus, wobei er auch Dinge anfassen und hochheben musste, von denen er an diesem Morgen noch behauptet hatte, die bloße Berührung mit ihnen würde schon Gelbsucht bei ihm verursachen. Während ich vorsichtig hinter und unter den vergammelten Möbelstücken im so genannten Wohnzimmer nachsah, beschäftigte er sich mit dem baufällig aussehenden Regal an der Wand. Jedes einzelne Teil hüllte sich in eine Wolke aus Staub, sobald Menkhoff es bewegte. Wie ein Tintenfisch, der einen Angreifer abschrecken wollte. Das war anschließend nicht mehr zu vertuschen, aber wir würden es im Zweifelsfall den Kollegen Spurensicherern in die Schuhe schieben.
    Die meisten der Dinge, die wir fanden, waren ziemlich ekelhaft, und je länger unsere Suche andauerte, umso unbegreiflicher wurde mir, dass ein menschliches Wesen so hausen konnte. Die Küche war ein winziger Raum mit einer vergammelten Spüle, einem verbeulten Kühlschrank und einem niedrigen, weißen Schrank aus Pressspanplatten, auf dem eine elektrische Zweier-Kochplatte stand. Die oberen Außenkanten des Schranks waren aufgequollen, der gelbliche Umleimer hatte sich größtenteils abgehoben und stand zentimeterweit ab. Ich zog die beiden Schranktüren auf. Es ging schwer, und sie machten dabei ein schleifendes Geräusch. Bis auf zwei Töpfe, in denen wahrscheinlich vor vielen Jahren zum letzten Mal etwas Essbares zubereitet worden war, und eine verblasste Pappverpackung mit nicht mehr zu deutendem, krümeligem Inhalt war der Schrank leer.
    Ganz schlimm wurde es im Badezimmer. Als ich den Toilettendeckel anhob und einen Blick riskierte, war dieses Thema für mich augenblicklich abgeschlossen. Auf Menkhoffs verständnislosen Blick hin, den er mir vom Wohnzimmer aus zuwarf, als ich nach Sekunden den kleinen Raum schon wieder verließ, sagte ich: »Wenn du das da durchsucht haben möchtest, bitte, tu dir keinen Zwang an. Mich kriegen da keine zehn Pferde mehr rein.«
    Als Nächstes nahm ich mir das neu gestrichene Zimmer vor. In dem Raum war sehr exakt gearbeitet worden: Die Stelle, an der das Pastellgelb der sauber mit Raufaser tapezierten Wände an das Weiß der Decke stieß, bildete eine kerzengerade Linie. An keiner Stelle war die jeweils andere Farbe übermalt worden. Die Fußleisten schienen neu zu sein, die Winkel in den Ecken waren sauber geschnitten, alles passte zusammen. Etwa in der Mitte der Wand, die der Tür gegenüberlag, war eine vielleicht 30 Zentimeter hohe, schmale Klappe eingelassen, vermutlich ein Putzschacht für den Kamin. Auch diese Klappe sowie die Ränder waren sauber und an keiner Stelle überstrichen. Der Raum sah so aus, als wäre alles darin komplett erneuert worden. Was auch immer sich vorher in dem Zimmer befunden hatte – es war nichts mehr davon übrig. Als hätte jemand bewusst alle auch noch so kleinen Spuren beseitigen wollen.
    »Alex, komm mal her!«
    Ich hatte im Laufe der Jahre gelernt, alle möglichen Facetten von Menkhoffs Stimme zu deuten. Es gab die wütende und die zynische, die sachliche und manchmal sogar die humorvolle. Die Tonlage, in der er in diesem Moment nach mir rief, bedeutete Triumph. Das wiederum konnte eigentlich nur eines heißen: Mein Kollege hatte etwas gefunden.

18
    15. Februar 1994
    Gegen halb elf rief der Pförtner an, eine Nicole Klement stehe vor ihm und wolle Oberkommissar Menkhoff sprechen. Ich wollte mich schon auf den Weg machen, um sie unten beim Pförtner in Empfang zu nehmen und in den 3. Stock zu bringen, da sprang Menkhoff auf: »Lassen Sie mal, Herr Seifert, ich übernehme das schon. Ein bisschen Fitness tut mir heute Morgen ganz gut.«
     
    Nicole Klement hatte die Haare an diesem Morgen hochgesteckt, sie trug eine schwarze Jeans und eine rote,

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