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Das Wesen. Psychothriller

Das Wesen. Psychothriller

Titel: Das Wesen. Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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eine Wohnung in Kohlscheid, Haus-Heyden-Straße, etwa zehn Kilometer entfernt. Der Vertrag war auf Dr. Joachim Lichner ausgestellt, die Größe der Wohnung war mit 92 Quadratmeter angegeben, Kaltmiete 690 Euro, Mietbeginn war der 1. 7. 2007, Mindestmietzeit drei Jahre.
    »Na, Alex, was sagst du jetzt? Herr Lichner hat zwar angeblich noch keinen Job, aber noch eine andere Wohnung.«
    Ich sah von dem Papier auf. »Na ja, ich hab mich die ganze Zeit schon gefragt, wie es möglich sein kann, dass in diesem unglaublichen Saustall jemand wohnt. Das hier«, ich deutete auf den Mietvertrag, »kann zumindest dafür die Erklärung sein. Er hat hier gar nicht gelebt.«
    »Das sehe ich auch so. Aber warum hat er diese Bruchbude dann gemietet? Und wann? Laut Melderegister hat er schon bei der Geburt seiner Tochter hier gewohnt, er muss diese Wohnung also schon mindestens so lange haben wie die da in dem Vertrag. Ich sag dir, Alex, der Dreckskerl zieht da irgendeine ganz linke Nummer ab, und die ist von langer Hand geplant.«
    »Ich versteh das alles noch nicht«, gab ich zu, »aber was ist denn mit der Möglichkeit, dass doch jemand die Datenbank des Melderegisters manipuliert hat? Das würde zwar noch nicht die Sache mit den zwei Wohnungen erklären, aber zumindest –«
    »Okay, Alex«, unterbrach mich Menkhoff, »du versuchst also immer noch eine Möglichkeit zu finden, diesen Scheißkerl zu entlasten. Mir ist zwar ein Rätsel, warum, aber bitte schön. Ich schlage vor, wir fahren gleich zum Klinikum. Wenn Lichners Tochter da geboren wurde, müssen die Unterlagen darüber haben. Anschließend sehen wir uns dann seinen Zweitwohnsitz in Kohlscheid an. Einverstanden?«
    »Aber wir sollten uns beeilen, ich glaube nicht, dass die Biermann ihn noch lange ohne stichhaltige Beweise festhalten kann.«
    Menkhoff nickte und steckte den Schlüssel, den er die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte, in seine Hosentasche. »Hast du sonst alles durch?«
    »Ja, bin froh, wenn wir hier raus sind.«
    Er deutete auf den Pappkarton. »Ich schau mir noch den Rest in dieser Kiste an, dann verschwinden wir hier.«
    Ich hielt noch immer den Mietvertrag in der Hand und sah ihn mir noch einmal genauer an. Weit kam ich allerdings nicht damit, weil Menkhoff schon kurze Zeit später einen undefinierbaren Laut ausstieß.
    Er hatte ein Album gefunden, auf jeder der beiden aufgeschlagenen Seiten waren zwei Fotos aufgeklebt. Die auf der linken Seite waren zweifellos beide im Gefängnis gemacht worden, wie man am Hintergrund unschwer erkennen konnte. Beide Fotos waren mit ziemlicher Sicherheit auch in derselben Zelle gemacht worden. Auf dem oberen war Joachim Lichner abgebildet. Er trug Jeans und ein weißes T-Shirt und blickte zwar ernst in die Kamera, aber beide Daumen der nach vorne ausgestreckten Hände zeigten nach oben. Unter dem Foto stand handschriftlich:
    J. Lichner, 04. 03. 2006 – Nicht mehr lange.
    Der Mann auf dem zweiten Foto strahlte über das ganze Gesicht. Er mochte ein paar Jahre jünger sein als der Psychiater, wog aber mindestens 15 Kilo mehr. Er hatte dunkle Haare und trug ebenfalls Jeans und dazu ein schwarzes Hemd, das weit geöffnet war und den Blick auf eine unbehaarte Brust freigab. Die Bildunterschrift lautete:
    M. Diesch, 04. 03. 2006 – Geschafft! Raus!
    Nun erst sah ich mir die andere Seite des Albums an und verstand augenblicklich, warum Menkhoff noch immer fassungslos und stumm dasaß und auf die gleiche Stelle stierte.
    Beide Fotos dieser Seite zeigten Lichner zusammen mit derselben Frau. Auch dort gab es Bildunterschriften, aber das nahm ich nur am Rande wahr, denn zwei Dinge waren auch ohne Beschreibung sicher: Die Fotos waren vor nicht allzu langer Zeit gemacht worden, und die Frau, die dort so traurig in die Kamera sah und um deren Schulter Joachim Lichner auf beiden Fotos den Arm gelegt hatte, diese Frau war Nicole Klement.

20
    15. Februar 1994
    »Verdammt!«, stieß Menkhoff aus. »Wie ist das passiert?«
    Nicole Klement antwortete nicht, schüttelte nur den Kopf, während aus der einzelnen Träne ungleichmäßige, nasse Spuren geworden waren, die sich über ihre Wangen zogen.
    Ich ging zu ihr hinüber und stellte mich neben Menkhoff. Wie ich befürchtet hatte, war auf der anderen Seite ihres Halses der gleiche dunkle Fleck zu sehen. Sie schob den Rollkragen wieder nach oben und senkte den Kopf. Mir wurde bewusst, dass wir sie beide betrachteten wie ein Tier im Zoo. Ich ging wieder zurück zu meinem

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