Das Wesen. Psychothriller
gemacht hat.«
»Kindesentführung?«, wiederholte sie. »Mein Gott, und Susanne und Markus haben damit etwas zu tun? Aber …«
»Bitte, können wir jetzt die Adressen haben?«
Sie nickte und setzte sich an den Computer. Eine Minute später hatten wir beide Adressen. Susanne Trumpp wohnte in der Aachener Innenstadt, Markus Diesch in Richterich. Das war nicht weit von Kohlscheid entfernt, Joachim Lichners Zweitadresse. Ich steckte den Zettel ein, auf den sie die Adressen notiert hatte. »Gibt es sonst etwas, was beweisen würde, dass dieses Mädchen hier zur Welt gekommen ist?«
Schwester Gabi sah blass aus. »Ja, doch … Es müsste schon noch einiges geben. Von jedem Patienten wird eine Akte angelegt, in der Datenbank. Warten Sie …«
Sie warf einen Blick auf die Geburtsbescheinigung, dann huschten ihre Finger wieder über die Computertastatur. Nach einer Weile schüttelte sie den Kopf, betrachtete sich wieder die Bescheinigung, klimperte auf der Tastatur, stutzte …
»Ich verstehe das nicht. Name und Adresse der Mutter haben wir in der Datenbank, aber das ist auch schon alles. Es gibt weder einen Eintrag über eine stationäre Aufnahme noch irgendwelche anderen Daten. Keine Behandlung, keine Medikamente, nichts. Nur der nackte Stammdatensatz.« Sie ließ sich gegen die Rückenlehne des Stuhls fallen. »Also entweder die anderen Daten sind gelöscht worden, oder …«
»Oder diese Bescheinigung ist eine Fälschung«, ergänzte ich.
Menkhoff kratzte sich an der Stirn. »Aber warum hat sich dann jemand die Mühe gemacht und diesen … wie haben Sie das genannt … Stammdatensatz der Frau angelegt?«
»Das muss man, um eine Bescheinigung auszufüllen. Bei Formularen, Rezepten und diesen Dingen muss der Patientenstammsatz vorher angelegt sein. So wird sichergestellt, dass die notwendigen Daten, zum Beispiel für die Abrechnung mit den Krankenkassen, vorhanden sind.«
»Und dieser Arzt?«, wandte ich ein.
»Das Personal ist in einem anderen Programm eingetragen. Bei Bescheinigungen müssen die Namen von Ärzten oder auch Hebammen manuell eingetragen werden.«
»Schöne neue Computerwelt«, bemerkte Menkhoff.
»Und braucht man ein Passwort, um sich an dem Programm anzumelden?«, hakte ich nach.
Sie stieß ein kurzes und humorloses Lachen aus. »Ja natürlich, was glauben Sie? Es geht hier schließlich um Patientendaten!«
»Das dachte ich mir. Es kann also ausgeschlossen werden, dass jemand anderes diese Geburtsdaten und die Bescheinigung eingegeben hat.«
»Ja, wenn niemand anders die Anmeldedaten von Susanne hat, dann kann man das ausschließen. Aber Sie haben mir noch immer nicht gesagt …«
»Wir danken Ihnen, Sie haben uns sehr geholfen.« Menkhoff nickte mir zu, und nachdem auch ich mich bei Schwester Gabi für ihre Hilfe bedankt hatte, verließen wir das Stationszimmer.
24
15. Februar 1994
Ich stellte den Wagen – es war ein Golf aus unserem Pool – extra ein gutes Stück vor dem Wendekreis ab, damit Marlies Bertels mich nicht gleich sah, falls sie hinter ihrem Küchenfenster stand.
Links neben dem Haus der alten Frau stand ein zweistöckiges Einfamilienhaus mit beiger Fassade, braunen Holzfenstern und einem kleinen, gepflegten Vorgarten – sofern man das in dieser Jahreszeit überhaupt beurteilen konnte –, eingerahmt von einem Jägerzaun mit Holztor. Auf dem Namensschild neben der Klingel stand
Fam. Leistroffer
. Ich erinnerte mich, den Namen schon einmal gelesen zu haben. Das Alter der Frau, die mir öffnete, konnte ich nur schwer schätzen. Sie trug Jeans und hatte eine noch recht sportliche Figur, aber ihr Gesicht und der Hals verrieten, dass sie die sechzig wohl schon einige Zeit passiert hatte. Sie wirkte sehr gepflegt, das braungefärbte Haar hatte sie im Nacken mit einem weißen Tuch zusammengebunden. Alles in allem war sie eine sehr aparte Erscheinung. Ich stellte mich vor und zeigte ihr zur Sicherheit meinen Dienstausweis. Sie ignorierte ihn und nickte mir freundlich zu. »Guten Tag, Herr Kommissar. Ich nehme an, Sie kommen wieder wegen der Juliane? Gibt es schon was Neues?«
»Nein, leider noch nicht, aber ich hätte ein paar Fragen an Sie. Haben Sie einen Moment für mich?«
Sie hatte. Das Wohnzimmer, in das sie mich führte, hatte zum Garten hin eine große Glasfront und war größtenteils in Weiß und Schwarz gehalten, die Schränke weiß, weißer Tisch, schwarze Ledercouch und schwarzer Fernseher. Lediglich der Flor-Teppich in Orange bildete eine sehr
Weitere Kostenlose Bücher