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Das Wesen. Psychothriller

Das Wesen. Psychothriller

Titel: Das Wesen. Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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lehnte mich ebenfalls zurück. Meine Gedanken stöberten in meinen Erinnerungen wie in den Regalen eines Gemischtwarenladens und zogen mit spitzen Fingern das Paket hervor, auf dem
Nicole und Bernd
stand.
    In den ersten Wochen nach Lichners Verurteilung war eine seltsame Veränderung mit Bernd Menkhoff vor sich gegangen. Ich war erschrocken über die Emotionalität, mit der ein erfahrener Kriminalbeamter wie er in so einen Fall ging, denn ich war felsenfest davon überzeugt, dass die ausgesprochen gute Laune, die so gar nicht in das Bild passen wollte, das ich mir von meinem Partner gemacht hatte, nur einen Grund haben konnte: die Verurteilung von Dr. Joachim Lichner. Im Nachhinein denke ich, dass auch der Schuldspruch ein Stück weit dazu beigetragen hatte, aber es war nicht der eigentliche Grund, wie ich etwa drei Monate später erfuhr.
    Es war während eines der seltenen gemeinsamen Essen, die nicht vor dem Drive-in-Schalter von McDonald’s begannen. Er hatte mich zu diesem Essen an einem Freitag nach Feierabend eingeladen und mir weisgemacht, es gebe keinen besonderen Grund dazu, man könne doch als Partner ruhig auch mal außerhalb der offiziellen Dienstzeiten etwas zusammen unternehmen. Ich gebe zu – ich habe ihm das von Anfang an nicht geglaubt. Mit dem, was er mir dann allerdings bei der Vorspeise eröffnete, konnte ich nicht rechnen: ›Herr Seifert …‹ Mit dem Zeigefinger kickte er nervös etwas auf der Tischdecke vor sich her, was ich nicht sehen konnte. ›Ich möchte nicht lange drum herum reden, ich liebe eine unglaubliche Frau, und sie liebt mich auch. Es ist uns beiden sehr ernst.‹
    Ich war überrascht, aber vielleicht nicht so überrascht, wie er es gedacht hatte, das sagte mir sein Blick.
    ›Na, das ist doch … phantastisch‹, entgegnete ich zögerlich.
    ›Sie … Herr Seifert, Sie kennen diese Frau, deswegen hab ich Sie auch … Es ist Nicole Klement.‹
    Er sah mich an, als versuche er in meinem Gesicht abzulesen, was ich dachte. Ich hoffte, dass es ihm nicht gelang. ›Wir haben das beide nicht beabsichtigt, aber … Nun ja, jetzt wissen Sie auf jeden Fall Bescheid. Und, wie kommen wir in der Sache mit der schweren Körperverletzung weiter?‹
    Obwohl sein Geständnis mir von Anfang an ein dumpfes Gefühl in die Magengegend pflanzte, wurde mir erst anschließend zu Hause mit aller Konsequenz bewusst, welche Fragen Menkhoffs Eröffnung aufwarf, im Rückblick auf die letzten Monate und besonders auf die Endphase der Fahndung nach dem Mörder von Juliane Körprich.
    Bernd Menkhoff hatte mir an diesem Abend in einem gutbürgerlichen Restaurant am Aachener Stadtrand eine Bürde auf die Schultern geladen, an der ich lange zu tragen hatte. Sie wurde mit den Jahren leichter, doch in diesen Minuten, auf dem blank geputzten Fußboden einer ekelhaft verdreckten Bude, erinnerte ich mich wieder in aller Deutlichkeit daran, wie dieses Gewicht sich angefühlt hatte.
    Menkhoff bewegte sich neben mir und riss mich damit aus meiner Gedankenwelt. »Er hat sie wiedergetroffen, nachdem er aus dem Knast gekommen ist. Ich … versteh das nicht. Sie hat mir gesagt, sie will ihn nie wiedersehen.«
    »Das ist schon so viele Jahre her, Bernd«, sagte ich vorsichtig. »Nach so langer Zeit, da verblassen auch die stärksten Emotionen. Er hat sich wahrscheinlich bei ihr gemeldet, und sie –«
    »Was soll der Quatsch, Alex? Du weißt, wie er sie damals behandelt hat. Glaubst du, das kann sie jemals vergessen? Ausgerechnet sie?«
    »Hm … Und, Eynatten … Was denkst du, was heißt das – in der Hütte?«
    »Keine Ahnung. Ein Wochenendhaus vielleicht? Ist mir auch egal.«
    »Hast du eine Ahnung, wo sie im Moment lebt?«
    »Nein.« Er hob das Album an, das er auf seinen Oberschenkeln abgelegt hatte, und nahm zwei der Fotos heraus. Das von M. Diesch in der Zelle und eines der beiden, auf denen die traurig blickende Nicole Klement zu sehen war. Er stand auf, steckte die Fotos in die Gesäßtasche und sagte: »Lass uns fahren.«
    Fünf Minuten später saßen wir im Auto auf dem Weg ins Aachener Klinikum und waren nicht viel schlauer als am Beginn unserer Schicht. Nichts von dem, was wir bisher wussten, passte zusammen, nichts ergab einen Sinn. Und nun tauchte auf diesen Fotos auch noch Nicole Klement auf. Menkhoff war sowieso schon für keinerlei Argumente zugänglich, die Lichner hätten entlasten können, diese Fotos würden alles noch schwieriger machen. Wenn ich ihn nur … »Die Mutter«, sprach ich

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