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Das Wesen. Psychothriller

Das Wesen. Psychothriller

Titel: Das Wesen. Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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mit Lichner reden. Wenn das nämlich stimmt, was hier steht … Oh Gott. Bitte sag ihm, dass wir in seiner Wohnung waren. Ich komme jetzt zu euch und bringe diese Unterlagen mit. In Ordnung?«
    Im ersten Moment reagierte er überhaupt nicht, dann schließlich sagte er: »Also gut.«
    Ich ließ mir von ihm beschreiben, in welchem Café er mit Lichner saß, und legte auf. Wolfert ließ neben mir die Hand mit dem Blatt sinken und sah mich entgeistert an. »Das Kind … diese Frau, um die es da geht … also, wenn ich es richtig verstanden habe, war sie die Lebensgefährtin des Psychiaters, der sie wegen dieser … Sache da behandelt hat?« Ich nickte, woraufhin Wolfert sich mit einer Hand über die Stirn fuhr, als wolle er sich dort Schweiß abwischen. »Aber … das ist doch total verrückt.«
    »Ja, und in Wahrheit ist es noch viel verrückter, als Sie es sich vorstellen können, Herr Wolfert. Lassen Sie uns fahren. Die Unterlagen nehmen wir mit.«
    »Sie wissen schon, dass Sie das nicht dürfen? Also, es ist natürlich nicht so, dass ich Ihnen vorschreiben möchte, was Sie zu tun haben und was nicht, aber die Dienstvorschrift –«
    »Ja, ich kenne die Dienstvorschriften, und sie sind mir egal.« Ich zog ihm das Blatt aus der Hand und steckte es zurück in das orangene Pappregister. »Ich bin sicher, Dr. Lichner wird uns deshalb keine Schwierigkeiten machen, denn er hat gleich kistenweise Patientenakten offen in seiner Wohnung herumliegen. Gehen wir.«
    Wolfert war während der gesamten Fahrt in die Aachener Innenstadt still. Was er da gelesen hatte, schien ihm nachhaltig zu schaffen zu machen. Nur zweimal fragte er nach, wollte mehr über den damaligen Fall wissen und über die Rolle, die Nicole Klement dabei gespielt hatte. Ich antwortete ihm so wortkarg, dass er es danach aufgab. Leider gehört es zu unserem Beruf, mit menschlichen Widerwärtigkeiten konfrontiert zu werden, und man entwickelt im Laufe der Jahre tatsächlich einen Selbstschutz, so etwas wie eine Hornhaut um die Seele, die einen angesichts mancher Gräuel davor bewahrt, den Verstand zu verlieren. Wenn aber einem kleinen, unschuldigen Kind solche Dinge angetan werden, bekommt alles nochmal eine andere Dimension, und zumindest mich treffen solche Dinge vollkommen ungeschützt. So gut es eben ging, konzentrierte ich mich auf das Geschehen außerhalb der Autoscheiben.
    Wir fuhren an der Mayerschen Buchhandlung vorbei und stellten den Wagen im Parkhaus Büchel ab. Von dort war es nur etwa eine Minute zu Fuß bis zum Hof. Als wir gleich hinter dem Ausgang des Parkhauses an der bronzenen Brunnenfigur des Bahkauv vorbeikamen, blieb ich einen Moment stehen. Das
Bachkalb
setzte sich der Sage nach nachts auf die Schultern betrunkener Männer und erschwerte ihnen so den Heimweg. Beim Anblick dieser Gestalt, die ein großes Kalb mit scharfen Reißzähnen und dickem, langem Schwanz sein sollte, fiel mir ein, dass die Sage auch davon berichtete, dass Frauen und vor allem Kinder vom Bahkauv niemals belästigt wurden. Nicht vom Bahkauv, dachte ich und ging weiter. »Ist es nicht verrückt?«, sagte ich zu Wolfert, der stumm und mit ernster Miene neben mir herging, die Hände tief in den Taschen seiner Jeans. »Alle Kinder fürchten sich vor dem Bahkauv, weil es so angsteinflößend aussieht, und dabei ist das überhaupt nicht nötig, denn das Bahkauv tut ihnen nichts. Fürchten müssten Kinder sich eigentlich vor uns, den Erwachsenen, verstehen Sie, das sind die wahren Monster, diese abartigen, perversen Dreckschweine, die keine Hemmungen haben, einem kleinen Mädchen … –«
    »Herr Seifert«, unterbrach mich Wolfert und legte mir die Hand auf den Oberarm, so dass ich stehen blieb, »bitte, die Leute schauen schon.« Ich sah ihn an und wurde mir bewusst, dass ich wohl sehr laut geworden war.
    Es gibt einige Cafés und Kneipen am Hof, der die Form eines in die Länge gezogenen Dreiecks hat. Hinter dem schmalen Ende des Platzes kann man Teile des gewaltigen Aachener Doms aufragen sehen. Die dicht zusammenstehenden, hohen Gebäude und die verhältnismäßig schmalen Zugänge an den beiden Längsseiten geben dem Platz tatsächlich etwas vom Flair eines gemütlichen Innenhofes.
    Alles war bis auf schmale Durchgänge mit sonnenbeschirmten Tischen zugestellt, aber ich entdeckte Menkhoff und Lichner trotzdem gleich, als wir zum Hof kamen. Sie saßen direkt an einer der markantesten Stellen des Platzes, neben den Resten eines römischen Säulenbogens, genau, wie

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