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Das Wesen. Psychothriller

Das Wesen. Psychothriller

Titel: Das Wesen. Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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Es klang, als hätte sie gefragt:
Woran ist er gestorben?
Ihr Verhalten war zumindest seltsam, wenn man bedachte, wie lange sie und Menkhoff sich nicht gesehen hatten. Ich überließ die Antwort ihm, aber sie fiel ihm nicht leicht, das sah ich deutlich. »Ja … Ich hab gestern einen anonymen Anruf bekommen. Jemand hat behauptet, ein kleines Mädchen wäre entführt worden.« Bei der Erwähnung richtete sich mein Blick wie von selbst auf die Fotos auf dem Sideboard. »Wir sind zu der angegebenen Adresse gefahren, und da haben wir festgestellt, dass … ja, dass Joachim Lichner da wohnt. In der Zeppelinstraße.«
    Ihr Gesicht zeigte keinerlei Regung.
    »Kennst du die Wohnung?«
    »Nein.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja.«
    »Aber … du bist … wieder mit ihm zusammen, oder?«
    »Wir sehen uns.«
    Menkhoff sah zu mir herüber. Sollte ich jetzt etwa übernehmen und Nicole sagen, dass wir ihre Krankenakte gefunden hatten? Dass auf dem Rücksitz unseres Wagens vier Ordner lagen, in denen die schrecklichste Zeit ihres Lebens wahrscheinlich bis in die kleinsten Einzelheiten beschrieben war? Nein, das konnte es unmöglich sein. »Nicole«, sagte ich ohne ihr in die Augen zu sehen, »hat Joachim Lichner ein … Kind?« Selbst darauf zeigte sie keine sichtbare Reaktion, und ich fragte mich, ob sie vielleicht unter dem Medikamenteneinfluss stand. »Nein«, sagte sie. »Ich weiß nichts von einem Kind.«
    »Geht es dir nicht gut?«, fragte Menkhoff nun vorsichtig. Sie sah ihn an, als hätte sie ihn nicht verstanden. Vielleicht hatte sie gar keine Medikamente, sondern Drogen genommen. Am liebsten wäre ich aufgestanden und gegangen. Die depressive Stimmung, die diese Wohnung ausstrahlte, Nicoles befremdliches Verhalten … die ganze Situation hatte etwas Unwirkliches, wie ein Albtraum, in dem es zwar keine Monster gab und wo man auch nicht weglaufen musste, ohne von der Stelle zu kommen, der aber dennoch etwas unangenehm Bedrückendes an sich hatte.
    »Es geht mir gut.« Sie sprach sehr leise, und es klang nicht nach jemandem, dem es gutging, aber ich hatte ihre Stimme auch selten anders gehört.
    »Was … was sind denn das für Kinder, auf den Bildern da vorne?«
    Sie sah sich um, betrachtete die gerahmten Fotos und hob die Schultern. »Das? Einfach Kinder, ich kenne sie nicht.«
    »Du kennst sie nicht? Aber … warum stehen die Fotos dann da? Und wo hast du sie her?« Weder ihr Gesicht noch ihre Haltung veränderten sich erkennbar.
    »Das spielt doch keine Rolle. Ich bin … durcheinander«, sagte sie, und ihre Stimme hatte nun einen mir bisher unbekannten, aggressiven Unterton. Menkhoff warf mir einen hilflosen Blick zu und wandte sich wieder an Nicole. »Aber … warum stellst du dir Fotos von wildfremden Kindern hin?«
    Die ganze Zeit über war ihr Blick auf den Tisch, ihre Hände oder irgendwelche Dinge im Raum gerichtet gewesen. Nun sah sie Menkhoff in die Augen, und es war der Blick eines trotzigen Kindes. »Ich habe sie gerne um mich. Ich … kann sie beschützen, wenn sie hier in meinem Wohnzimmer sind.«
    »Beschützen?«
    »Vor Erwachsenen, die so tun, als wären sie nett.«
    Menkhoff stieß geräuschvoll den Atem aus und sah mich an. Ein Teil von Nicoles Traurigkeit war auf ihn übergesprungen, als hätte er sich angesteckt. »Alex, würdest du schon mal vorgehen? Ich komme gleich nach.«
    Ich nickte, stand auf und sagte: »Auf Wiedersehen, Nicole.«
    Sie antwortete nicht. Sie sah mich nicht einmal an.

40
    23. Juli 2009, 14.03 h
    Als ich aus dem Haus kam, blieb ich erst einmal stehen und atmete tief durch. Der Anblick der hellen Strahlen, die sich durch kleine Lücken im sonnengetränkten Laub der Bäume drückten, der Geruch des Sommers, die Menschen, die vorbeigingen, manche geschäftig, manche gemütlich schlendernd – all das strahlte für mich die pure Lebensfreude aus und machte mir in diesem Moment erst bewusst,
wie
bedrückend ich die Atmosphäre in Nicoles Wohnung empfunden hatte. Diese Kinderfotos …
    Der Audi stand zum großen Teil im Schatten eines Baumes, aber die Heckscheibe lag im gleißenden Sonnenlicht, so dass mir eine heiße Woge entgegenschlug, als ich die Tür öffnete. Ich ließ alle vier Seitenscheiben herunter und wartete eine Minute, bis die Innenluft abgezogen war, bevor ich mich hineinsetzte. Mein Magen knurrte, seit dem Frühstück hatte ich nichts mehr gegessen. Ich schloss die Augen und nahm mir vor, mir später irgendwo ein Sandwich zu besorgen.
    Ich hatte keine

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