Das Wetter vor 15 Jahren
Klopfzeichen-Mythologie, dieses berühmte „Und dann haben wir die Klopfzeichen gehört, am zehnten Tag" und so weiter.
Literaturbeilage Und jetzt kommt da Annis Vater zur Hütte und macht auch Klopfzeichen.
Wolf Haas Ja, er klopft eben an die Tür, weil seine Hütte von innen verriegelt ist. Das geht ja noch. Das ist eigentlich noch normales An-die-Tür-Klopfen. Zu „Klopfzeichen" wird es erst dadurch, dass die beiden ihm nicht aufmachen. Wie er plötzlich um sein Leben klopft.
Literaturbeilage Also ich fand gerade das sehr kunstvoll gemacht.
Wolf Haas Ja eben. Eigentlich brauch ich da kein kunstvolles Klopfen. Er klopft einfach wie verrückt, weil er auch in das Wetter geraten ist. Er ist in Panik! Er will sich vor dem Wetter retten und findet sein eigenes Schmugglerlager verschlossen! Also das eigentliche Lager war natürlich unten - gut versteckt im Felskeller. Aber er ist ja nicht einmal oben hineingekommen!
Literaturbeilage Die Kinder haben die Tür von innen verriegelt, bevor sie sich nackt ins Heu gelegt haben. Es ist ja nicht ganz klar, ob sie die Klopfzeichen in dem Gewitterlärm würklich hören.
Wolf Haas Sie hören die Klopfzeichen! Aber sie liegen nackt, eng umschlungen im Heu. Sie reden sich ein, dass gar niemand klopft. Es ist nur der Gewitterlärm, flüstern sie sich gegenseitig zur Beruhigung ins Ohr.
Literaturbeilage Und sie machen die Tür nicht auf.
Wolf Haas Und sie machen die Tür nicht auf.
Literaturbeilage Und am nächsten Tag wird Herrn Bonatis Leiche bei einem Flusskraftwerk zwanzig Kilometer hinter der Grenze angeschwemmt.
Wolf Haas Ja eben. Sie haben schon Recht, das ist schon irgendwie so eine Art Kernszene.
Literaturbeilage Die letzte Reise des Schmugglers. Vom Hochspannungsmast zum Flusskraftwerk jenseits der Grenze.
Wolf Haas Fünfzig Kilometer in einem Hochwasser führenden Bach. Irgendwie hat das schon was.
Literaturbeilage Mehr als die Autobahn jedenfalls. Auf der sich die Gästefamilie aus dem Ruhrgebiet noch am selben Tag befand.
Wolf Haas Die sind natürlich fluchtartig aus Farmach abgereist. Und deshalb ist ja Vittorio dann fünfzehn Jahre nicht mehr hingefahren.
Literaturbeilage Wobei Sie erst viel später im Buch die wahren Gründe für die überstürzte Abreise verraten.
Wolf Haas Na ja. Man kann in einem Buch nicht alles gleich am Anfang verraten.
Literaturbeilage Sonst wäre es kein Film, wie Ihre Tante immer gesagt hat.
Wolf Haas Außerdem hat Vittorio Kowalski ja auch fünfzehn Jahre gebraucht, um die Wahrheit herauszufinden.
Vierter Tag
Literaturbeilage Herr Haas, ich hatte gestern Abend im Hotel einige panische Minuten. Mir ist aufgefallen, wie viel mir noch fehlt! Wir haben noch immer nicht über Frau Bachl geredet.
Wolf Haas Das könnten wir ja jetzt machen.
Literaturbeilage Außerdem fehlt mir noch Frau Bonati, ihre fürsorgliche Arbeit in der Frühstückspension.
Wolf Haas Da hab ich aber auch nicht viel. Außer ihrem Ärger über die ewigen Lastwagenreparaturen und Ölwechsel, die ihr Mann statt in seiner Garage ausgerechnet in der Einfahrt zur Frühstückspension vornehmen musste.
Literaturbeilage Eben, dieser ganze Bereich fehlt mir noch! Die ständigen Streitereien von Vittorios Eltern hab ich ja auch noch nicht! Dann fehlen mir noch die Schmuggelfahrten von Annis Vater. Und die Rivalität der beiden Väter beim Bergsteigen.
Wolf Haas Das war aber einseitig. Vittorios Vater wollte eben unbedingt Anerkennung finden beim Bonati. Der war als Chef der Bergrettung natürlich arrogant. Er hat sich aber bemüht, es ihn nicht zu sehr spüren zu lassen. Zumindest wenn ihn seine Frau wieder einmal geschimpft hat, dass er nicht so herablassend sein soll.
Literaturbeilage Und ich habe vor allem noch nicht diesen interessanten Punkt, dass Kowalski senior sich hin und wieder sehr gekonnt bei einem anderen Thema revanchierte.
Wolf Haas Das war aber immer nur, wenn er was getrunken hat. Er hat nichts vertragen.
Literaturbeilage Obwohl er in einer Trinkhalle gearbeitet hat.
Wolf Haas Ja, der hat seine eigene Trinkhalle betrieben. Aber da hat er erst recht nichts getrunken. Alkohol in der Arbeit, dazu war der viel zu seriös. Höchstens im Urlaub! Und da ist er ihm regelmäßig in den Kopf gefahren. Besonders, wenn er vorher am Berg war.
Literaturbeilage Ja gut, der Alkohol war vielleicht der Auslöser. Aber inhaltlich waren ja seine Vorwürfe vollkommen berechtigt.
Wolf Haas Ein Wort hat eben das andere gegeben. Wenn der alte Kowalski mit seiner
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