Das Wiegen der Seele (German Edition)

Entdeckungen und keine wertvollen Schätze berühmt und anerkannt machen. “
    „ Mmh , das ist ja alles sehr interessant. Aber dann könnte man doch annehmen, dass Jack Crampton etwas gefunden hatte, das einen Mörder auf den Plan rief? “, bemerkte Nettgen kopfschüttelnd. Sagen Sie, Professor, ich bin ja nur ein bürokratischer Gesetzeshüter, aber was zeichnet eigentlich einen Archäologen aus? “
    „ Nun, Kommissar“, erklärte der Professor, „ich möchte es einmal so beschreiben: Ein Archäologe hat meiner Meinung nach zwei recht unterschiedliche Gesichter. Das eine ist – so könnte man sagen – das öffentliche. Es glänzt von der Aufregung über abenteuerliche Entdeckungen. Das zweite Gesicht, das Private, ist eher weniger glanzvoll. Es ist zeitraubend und besteht aus peinlich genauen Untersuchungen von winzigen, eher unscheinbaren Bröckchen verstaubten Materials, das bei Ausgrabungen entdeckt wurde und in einem Hinterstübchen unter die Lupe genommen wird. In diesem Fall haben auch Sie etwas mit einem Archäologen gemeinsam, denn das Säubern und Untersuchen der Funde erfordert geduldige Kommissararbeit . Der Archäologe ist sozusagen ein Pathologe der Vergangenheit . Er muss zuerst sein Material finden, entweder im Gelände, oder aber beispielsweise in der Sammlung eines Museums. Dann erfolgt die gründliche Untersuchung, die umfassende Begutachtung. Erst dann werden die Ergebnisse veröffentlicht. Der Bericht eines Experten kann dann dem schon bekannten Fundus hinzugefügt werden. Dies führt zu neuen Ideen und Theorien. Ganz wichtig ist dabei jedoch, dass es sich um eine professionelle Basis handelt. Die Publikation ist ein Eckpfeiler der Archäologie. “
    Nettgen hörte gespannt zu, lehnte sich im Stuhl zurück und faltete die Hände im Schoß. Der Professor erklärte weiter: „ In der Archäologie ist es wie in jeder Wissenschaft. Entscheidend ist, so objektiv wie möglich zu sein. Ein Archäologe sollte bei seinen Ausgrabungen nicht nur mit entsprechendem Wissen gerüstet sein, sondern sich gleichzeitig von allzu großen Erwartungen freihalten. In der Praxis ist das leider immer etwas schwerer. Es zieht den Archäologen nicht die Liebe zum Geld zu seiner Arbeit hin. Eher eine Liebe zur Romantik und den Abenteuern. Im Privatleben fehlt dann leider dieser Hang zur Romantik, so wie bei Jack, aber das ist ein anderes Thema. “
    Dann stellte Neuhausen Nettgen noch eine Frage: „ Kommissar, kennen Sie den Unterschied zwischen einem Archäologen und einem Grabräuber? “
    Nettgen schüttelte nur den Kopf und war schon gespannt auf die Antwort.
    „ Der Archäologe publiziert seine Entdeckungen ... “
    „ Was wollen Sie damit sagen? “
    „ Och, das ist ein alter Witz über Archäologen, nichts weiter. Aber kommen wir zu Ihrer Vermutung. Sie glauben, Sie haben es bei Ihren Mordfällen mit einem Fluch zu tun? Nun, dann werde ich Ihnen kurz etwas über Flüche erzählen. “
    Er setzte fort: „Einen konkreten Anlass für die Vermutung eines Fluches gab die Entdeckung des Grabes von Tutenchamun im Jahre 1922. Unter mysteriösen Umständen folgten auf die Ausgrabungen Todesfälle. Man sprach vom Fluch des Pharaos . Ausschlaggebend dafür war der Fund einer Tontafel, die mit einer Inschrift versehen war: Der Tod soll den mit seinen Schwingen erschlagen, der die Ruhe des Pharaos stört . Man fand im Grab einen Keramiksockel , davor eine Kerze und einen Anubisschrein . Ich verhindere, dass Sand die geheime Grabkammer füllt. Ich bin zum Schutz der Toten da . Jeder glaubte daran. Ein findiger Reporter meinte, er müsse noch einen draufsetzen. Er dichtete noch etwas hinzu: Und ich werde alle töten, die diese Schwelle zum Heiligtum des Königs der Könige betreten, der lebet in Ewigkeit . Vor rund 5300 Jahren wurde in einem Grab die wohl älteste Drohung entdeckt: Der große Gott wird über all jene richten, die dieses Grab zu ihrer eigenen Begräbnisstätte machen oder ihm Böses zufügen . – Heute geht man davon aus, dass hochgiftige Pilze, vor allem aus der Gattung Aspergillu , verantwortlich für die Erkrankungen und Sterbefälle waren . “
    „Ich kann Ihnen folgen“, sagte Nettgen. „ Aber in unseren Mordfällen scheint sich ein Pilz auszuschließen, was die Geschehnisse betrifft, die hier passierten. Und seit ich anonymen Besuch hatte, weiß ich zumindest, dass es sich um Sterbliche handelt, mit denen wir es hier zu tun haben. “
    „Eben, Herr Kommissar. Und genau das macht mir Sorgen.