Das Wiegen der Seele (German Edition)
kümmern.
Nettgen rief Professor Neuhausen an, um ihm die Flugdaten durchzugeben. Wie um diese Uhrzeit nicht anders zu erwarten, war der Professor nicht persönlich erreichbar, also hinterließ Nettgen ihm die Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Bevor er auflegte, bat er den Professor noch um Rückruf und hinterließ die Nummer seines Diensttelefons.
Danach widmete er sich noch einmal der Aufnahme des Symbols, verstaute dann alle Unterlagen in dem Umschlag und legte ihn auf den angehäuften Stapel zu den anderen Ermittlungsdokumenten.
Kapitel 10
Es war Mitternacht und kalt. Ziemlich ungewohnt für diese Jahreszeit. Wolken bedeckten den Himmel und ließen kaum Sterne leuchten. Aus dem Nichts tauchten plötzlich zwei Lichter auf. Sie wuchsen heran, kamen näher. Begleitet wurden die Lichter von einem dröhnenden Motorengeräusch, das immer lauter wurde. Nach einiger Zeit wurde das Fahrzeug im Streulicht der Doppelscheinwerfer sichtbar. Der Motor verstummte, eine Autotür wurde hörbar zugeschlagen. Für Sekunden herrschte eine beängstigte Stille. Hier, auf dem Grund einer alten Abtei, konnte man um diese Zeit keine Menschenseele mehr erwarten. Die Pilger, Touristen und das Personal waren längst gegangen. Trotzdem konnte man Schritte wahrnehmen, die auf dem sandigen Boden durch die Stille marschierten. Eine Person steuerte auf den schwach beleuchteten Haupteingang zu, dessen rechtes Tor zu einem Spalt geöffnet war. Vor dem Haupteingang stand eine weitere Person, gekleidet in einen braunen Habit. Sie hatte eine große Kapuze über den Kopf gezogen, die das Gesicht komplett verbarg. Der Habit war am Oberteil mit drei seltsamen Symbolen versehen, die untereinander zu einem Zeichen verschmolzen. In der Hand des Kuttenträgers wurde ein silbriger Schlüssel gehalten, der im Kerzenschein kurz aufblinkte. Aus dem Halbdunkel trat die andere Person heran und näherte sich dem Kuttenträger. Ohne ein Wort stieß der Kuttenträger die Tür auf und ließ einen Mann passieren.
Derweil fragte der Mann in einem ausländischen Akzent: „Hasan, sind bereits alle eingetroffen?“
Auch sein Leib war mit einem braunen Habit umhüllt, dessen Kapuze ihren finsteren Zweck erfüllte. Auch seine Kutte zierten die seltsamen Symbole. Die andere Gestalt nickte nur, schloss das Tor und verriegelte es mit einem Doppelverschluss.
In der Abtei herrschte Stille. Die Kerzen auf dem Hochaltar und an den Wänden flackerten in der samtenen Dunkelheit und warfen schwache Schatten an die Wand. Die Kuttenträger schritten gemächlich auf den Altar zu und ließen sich im vorderen Teil auf einer Bank nieder. Sie schlossen die Augen. Nur ihre Lippen bewegten sich unscheinbar.
„Ahmet“ , meinte schließlich der Schlüsselträger, „die anderen warten schon.“ Hasan seufzte und erhob sich. Die andere Gestalt war bereits aufgestanden und schritt zu einer Holztür, die sich hinter dem Altar befand. Beide verschwanden durch die Tür in einen Gang, der an einer Holztreppe endete. Die Treppe war ebenfalls von flackernden Kerzen beleuchtet. Die Gestalten folgten den knarrenden Stufen nach unten und gelangten in einen weiteren Gang. Nach ein paar Meter n gabelte sich der Weg und die beiden blieben für einen Moment stehen. Dann warfen sie sich einen Blick zu und bogen in den linken Gang ein. Der Weg durch die Katakomben unterhalb des Klosters war schlecht beleuchtet. Ahmet nahm sich eine Fackel von der Wand und entzündete sie. Dann ging der Fußmarsch weiter. Langsam mischte sich ein modriger Geruch in das nasskalte Gemäuer. Kurz darauf gelangten sie an die nächste Gabelung. Sie hielten sich rechts und nach rund zwanzig Metern erschien eine uralte Holztür, die von Wurmlöchern nur so übersät war. Hasan zog einen weiteren, kleineren Schlüssel unter dem Habit hervor und schloss mit einem Knirschen auf. Die beiden betraten die dahinterliegende Kammer. Darin war es zwar nicht dunkel, aber Einzelheiten waren in dem Dämmerlicht trotzdem nicht zu erkennen.
Hasan näherte sich einem kleinen Hochaltar, der sich an der gegenüberliegenden Wand befand und eher unscheinbar wirkte. Er griff unter die obere Kante einer Steinplatte. Plötzlich rumorte und knirschte es. Wie von Geisterhand setzte sich die Steinplatte, an welcher der Altar befestigt war, in Bewegung und offenbarte einen dahinterliegenden Geheimgang. Beide traten an das Loch und zwangen sich gebückt durch den Schacht, der an einer Stahltür endete. Hasan klopfte lautstark an den Stahl:
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