Das wilde Herz der Highlands
dem Feind zugewandt.
Tief in sich hatte sie vermutlich gehofft, dass dieses fließende Zusammenspiel, dieses Einssein, schließlich auch in andere Bereiche des Lebens dringen werde. Sie war sogar so weit gegangen, sich einzugestehen, dass sie im Begriff war, sich in ihren Gemahl zu verlieben - in ihn und sein Ehrgefühl, sein gutmütiges Wesen, die Stärke und Umsicht. Und sie wollte, dass auch er sie liebte. Aber wie sollte er eine große, ungelenke Amazone lieben, die nicht wusste, wie man sich als Dame oder Ehefrau verhielt?
„Herrje“, murmelte sie und klang in diesem Moment genau wie diese schwächlichen, wehleidigen Zimperliesen, die sie so sehr verabscheute.
Wenn sie wollte, dass ihr Gemahl sie liebte, musste sie eben alles dafür Notwendige tun. Gegen ihre Größe konnte sie nichts ausrichten, und auch in eine kurvenreiche Blonde, die er zu bevorzugen schien, konnte sie sich schlecht verwandeln. Aber sie konnte sich wie andere Damen kleiden und einige der Fertigkeiten lernen, die andere Frauen im Blut zu haben schienen. Wenn sie sich etwas in den Kopf setzte, schaffte sie es auch.
Durch diese Aussicht ermutigt, sann sie sogleich darüber nach, wie sie die Sache angehen sollte. Die Gewandung schien ihr das leichteste Unterfangen zu sein. Sie würde Lady Emmalene um Hilfe bitten. Von Blake wusste sie, dass die Dame nach der Hochzeit einen Schneider bestellt und ballenweise Stoff gekauft hatte. Womöglich hatte sie etwas übrig, aus dem sich ein Kleid nähen ließ. Und vielleicht war Lady Emmalene auch so freundlich, ihr einige der Dinge beizubringen, die sie würde können müssen. Aye , Lady Emmalene schien ihr dafür die Richtige zu sein.
Ein Blick auf Blake zeigte ihr, dass er noch immer in dem tiefen Schlaf lag, der ihr solch großen Kummer bereitete. Rasch schritt sie zur Tür. Mit Lady Emmalene zu sprechen würde nur einen Augenblick dauern.
Sie hatte kaum die Hand ausgestreckt, um die Tür zu öffnen, als diese wie von selbst aufschwang. Seonaid musste zurückweichen, um nicht getroffen zu werden.
„Oh, Seonaid“, sagte Aeldra überrascht, als sie die Cousine so nah bei der Tür erblickte. Dann riss sie die Augen auf und schaute zum Bett. „Ist er etwa ...?“
„Nay, alles unverändert“, erwiderte sie rasch. „Ich wollte nur ...“ Sie verstummte, unwillig, Aeldra ihre Pläne zu unterbreiten. Wahrscheinlich würde ihre Cousine sie für verrückt halten, wenn sie davon erführe. „Möchtest du etwas Bestimmtes?“
„Nun.“ Aeldra zauderte, ehe sie herausplatzte: „Lord Amaury hat gerade angemerkt, dass es ja vermutlich eine Weile dauert, bis Blake sich erholt... Wobei er zuversichtlich ist, dass dies geschehen wird“, warf sie hastig ein, in dem Versuch, Seonaid aufzumuntern. „Er meint, dass Blake viel zu stur sei, um nicht zu gesunden, aber da bis dahin zweifellos einige Zeit vergehen wird ... “
„Aye?“, hakte Seonaid nach, als Aeldra abermals abbrach. „Also, er findet, dass ich währenddessen Little Georges Familie kennenlernen soll. Wir sollen sie besuchen, meint er, denn er denkt, dass Blake sicher gleich nach Hause reiten will, sobald es ihm besser geht. Wir werden vermutlich nicht so schnell wieder in diese Gegend kommen, und ...“
„Geh nur“, fiel Seonaid ihr ins Wort.
Aeldra musterte sie unsicher. „Wirklich?“
Das passt sehr gut, dachte Seonaid und nickte nachdrücklich. Irgendwie würde es ihr leichter fallen, Veränderungen an sich vorzunehmen, wenn ihre Cousine nicht zugegen war. Zudem hatte Lady Emmalene gleich an ihrem ersten Abend hier geäußert, dass Little George schwere Zeiten durchgemacht hatte. Von ihren nächtlichen Gesprächen mit Blake wusste sie, dass Emmalene damit auf die Ermordung von Little Georges Gemahlin angespielt hatte. Und er war nicht der Einzige, der Ungemach durchlitten hatte. Aeldra hatte auf einen Schlag ihren Bruder und ihre Ersatzmutter verloren, und hier nun bot sich ihr die Gelegenheit, in Little Georges Familie aufgenommen zu werden. Seonaid freute sich für sie.
„Dann macht es dir nichts aus?“, fragte Aeldra. „Wir könnten auch bleiben, wenn dir das lieber wäre ...“
„Nay, geh, und genieße den Besuch. Es bringt nichts, dass du auch hier herumhockst und wartest. Ich schicke euch Nachricht, sobald Blake zu sich kommt.“
„Danke.“ Aeldra umarmte sie kurz, worüber Seonaid die Stirn runzelte.
„Danke wofür? Es ist nicht so, dass du meine Einwilligung brauchtest, Aeldra.“
„Doch, die brauchen
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