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Das wilde Leben

Das wilde Leben

Titel: Das wilde Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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kneteähnlichen Explosionsstoff aus dem Mantel her
auskratzen und mit dem Lehm und dem Steinsalz in der Schale vermischen.
    Árendás war gerade mit dem vierten Bomblet zugange, als eine Trompete erklang. Vor Überraschung hätte er es beinahe fallenlassen, doch er brach die Bewegung nicht ab, sondern führte sie bis zu Ende, und erst als er den Zünder herausgenommen hatte, schlug er die Zeltplane zurück, um zu sehen, woher die Trompetenklänge kamen.
    Der Alpinist in Uniform stand oben auf der Geröllhalde über dem Eingang des Radarraums und blies, den Kopf in den Nacken gelegt, mit geschlossenen Augen und ohne sich auch nur im geringsten um den Regen zu kümmern, in seine Trompete, er spielte den Zapfenstreich, Árendás hatte die Melodie sofort erkannt. Er stellte die Schale ab, nahm das Stück tarnfarbene Zeltplane vom Boden neben dem Eselsattel, breitete sie sich über dem Kopf aus und trat in den Regen hinaus.
    Der Alpinist spielte den Zapfenstreich zu Ende, ließ die Trompete sinken, stand aber weiterhin mit geschlossenen Augen da, Wind und Regen trotzend.
    Árendás fing an zu klatschen, der Lärm ließ den Alpinisten zusammenzucken, er schlug die Augen auf und blickte Árendás an.
    Árendás beendete den Applaus und lächelte, ich gratuliere Ihnen, rief er, ich hätte nicht für möglich gehalten, daß man bei diesem Unwetter die Nordwand hinaufklettern könnte.
    Der Trompeter sagte nichts, klemmte sich die Trompete unter die Achsel und sprang die Geröllhalde hinunter, Árendás dachte, daß er ausrutschen würde, doch der Trompeter strauchelte nicht einmal, nur die Steine kollerten unter
seinen Füßen; Árendás sah, daß der Mann Stiefel trug und keine Bergsteigerschuhe.
    Der Trompeter fuhr mit der freien Hand über die Zeltplane vor dem Radarraum, hob dann die Hand, winkte wie zum Abschied und entfernte sich schnell Richtung Nordseite.
    Árendás rief ihm nach. Warten Sie, bleiben Sie stehen, rennen Sie nicht weg!, doch der Mann beachtete ihn nicht, er ging weiter und war gleich darauf hinter einem großen Haufen Felsgeröll verschwunden.
    Árendás richtete die Plane über seinem Kopf, wobei seine linke Schulter frei blieb, und bald spürte er, daß seine Kleidung klatschnass wurde. Kommen Sie, trinken wir wenigstens einen Becher Tee!, rief er noch einmal, doch von dem Mann keine Spur mehr, und Árendás' Stimme wurde vom starken Regen übertönt.
    Árendás blickte zum Kreuz hinauf. Dann eben nicht, sagte er, so habe ich wenigstens mehr Tee für mich.
    Er kroch zurück unter die Zeltplane, in den windgeschützten Spalt, schüttete das Regenwasser aus und setzte sich wieder auf den Eselsattel: Ich muß noch mindestens zwei oder drei Geschosse aufkriegen, um genug Explosionsmaterial zu bekommen, die Gamsfallen funktionierten nach einem ganz einfachen Prinzip, Árendás war wirklich stolz auf die von ihm erfundene Methode. Man mußte nur eine Batterie in die Konservendose legen, darüber die Dose mit einer kleinen Holzplatte senkrecht zweiteilen, dann die Mischung aus Steinsalz, Explosionsmasse und Lehm in beide Teile füllen und fertig. Die Gemsen brauchen das Salz nur anzulecken, ihr Speichel schließt den Stromkreis, und der Kopf fliegt ganz sauber in die Luft.
    Er nahm ein weiteres Bomblet auseinander, kratzte den Sprengstoff heraus und vermischte ihn mit dem Lehm, da erinnerte er sich wieder an die Bombardierung, daran, wie es war, als die Sprengkörper überall hingerollt waren, besser, dachte er, man stellt sich das alles gar nicht erst so genau vor. Als er am letzten Bomblet arbeitete und den Zünder schon halb herauszog, hörte er plötzlich wieder die Trompete, ihr Klang schien aus nächster Nähe zu kommen, es war sehr laut, Árendás erschrak so heftig, daß ihm das Bomblet jetzt tatsächlich aus der Hand fiel und wegrollte, direkt auf die Felsenschlucht zu, und da erblickte er den Trompeter, er stand am Rand der Schlucht, am äußersten Ende des Felsens, und anscheinend hatte er das auf ihn zurollende Geschoß gesehen, denn er bückte sich und fing es auf, und Árendás sah, wie er am Zünder drehte und ihn mit dem Daumen ins Geschoß zurückdrückte, Árendás wußte, daß der Trompeter die Bombe zu ihm zurückwerfen und er dann keine Zeit mehr haben würde, sie von neuem auseinanderzunehmen, er würde den Zünder nicht mehr herausnehmen können, er beobachtete die dünnen weißen Fingern des Trompeters, sah, wie er langsam den Arm hob, Árendás dachte an die anderthalb Meter dicke

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