Das Wing 4 Syndrom
davonstehlen, als ihm ein Bild auffiel.
Ein seltsam altes Flachbild, das aus groben Farbklecksen bestand. Die Farbe war ausgeblichen und der Silberrahmen schwarz angelaufen, aber der Mann auf dem Bild wirkte so, als lebte er. Er sah aus wie sein Vater.
Dasselbe schwarze Haar und dieselbe gerade Nase. Dieselben grauen Augen, die so schmal wie die seines Vaters waren, wenn er zornig war. Aber der Mann auf dem Bild hatte einen dicken schwarzen Bart, und eine Hand hielt eine seltsam alte Projektilpistole.
Pflegeschwester Vesh hatte ihn lesen gelehrt, und so konnte Keht die Symbole auf dem angelaufenen Silberrahmen entziffern: Kyrondath Kyrone.
Kyrone! Sein Atem ging schneller, denn das war sowohl der Name des großen neuen Sternenschiffes als auch der seine. Keth stand lange da, sah das Bild an und wünschte sich, er wüßte mehr über seinen Vater und den Raum und die Humanoiden.
Er zuckte zusammen, als er jemanden gehen hörte, aber es war nur Schwester Vesh, die sich von ihrem Nickerchen erhob. Er rannte aus dem Zimmer, zog die Stahltür vorsichtig hinter sich zu und fuhr fort, sich den Kopf zu zerbrechen.
Obwohl sie und sein Vater nie über das Sternenschiff sprachen, das seinen Namen trug, wurde es ihm doch aus den Holonachrichten und später auch aus den Geschichtsbändern vertraut. Die Kyrone wurde draußen im Orbit gebaut, und die Bauarbeiten dauerten schon so lange, wie er sich erinnern konnte. Es sollte Menschen hinaustragen, um die Planeten des Drachen zu besiedeln, und sie hofften, daß dies freundlichere Welten als Kai und Malili sein würden. Noch dieses Jahr sollte es für den Flug bereitstehen. Niemand sagte, daß es vielleicht auf Drachen stoßen könnte, aber sein Vater versuchte, seine Fertigstellung aufzuhalten.
Eines Tages hatte Schwester Vesh beim Mittagessen die Holonachrichten eingeschaltet, und er hörte, wie sein Vater zu einer Versammlung sprach. Der Flug müsse gestoppt werden, sagte sein Vater, weil die Kernverschmelzungsmaschinen einen rhodomagnetischen Effekt hätten. Es könne sein, daß die Humanoiden diesen Effekt wahrnähmen und die Leute fänden, die vor ihnen zu den Welten der Katze flohen.
Nach seinem Vater erschien Captain Vorn im Holo und machte sich über solche Ängste lustig. Die Katze und der Drachen bewegten sich zu schnell, und sie hätten die Humanoiden schließlich vor tausend Jahren hinter sich gelassen. Unsinnige Ängste hätten die Menschen schon zu lange auf Kai und Malili festgehalten. Die Zeit für die kühne Flucht sei gekommen.
Captain Vorn gefiel ihm. Ein hochgewachsener, schlanker Mann mit kühlen blauen Augen und einem überlegenen Lächeln, ein Mann, der vor nichts Angst hatte. Als er am nächsten Tag sprach, war seine Tochter Chelni bei ihm. Sie war ein robustes kleines Mädchen mit glattem schwarzem Haar und einer Kinnpartie, der man ihren starken Willen ansah. Keth sah, daß die beiden einander mochten. Er vergaß sie nie.
Und den Mann mit den goldenen Händen vergaß er auch nicht.
Bosun Brong hieß er. Er war von Malili gekommen, um auf dem Sternenschiff als Ingenieur zu arbeiten. Die Reporter sagten, er sei außerhalb der Zone der Blutfäule ausgesetzt gewesen und hätte davon seine natürlichen Hände verloren. Seine Metallhände waren glänzende, goldene Hebel, elegant und kraftvoll. Man konnte im Holo sehen, wie er Stahl damit bog.
Trotz der Einwände seines Vaters wurde der Bau des Schiffes fortgesetzt. Keth wünschte sich oft, er hätte an Bord sein dürfen. Manchmal träumte er von den glücklichen neuen Welten, die die Kolonisten finden würden. Glücklich würden sie sein und nie Hunger oder Kälte leiden. Fern dem finsteren Malili brauchten sie die Humanoiden nicht zu fürchten.
Ein halbes Jahr lang brachte das Holo Meldungen vom Flug. Als Captain Vorn den Drachen erreichte, fand er sieben Planeten. Die inneren Welten waren zu heiß und zu trocken und die äußeren kalte Gasriesen, aber einer dazwischen schien für Menschen geeignet.
Das erste Landungsboot steuerte darauf zu, und alle warteten gespannt auf das, was die Pioniere berichten würden. Aber sie berichteten nie etwas. Alle Signale hörten einfach auf. Die Reporter konnten nicht erraten, was geschehen war. Ein Brückenmann schlug vor, eine Rettungsexpedition zu schicken, aber der Navarch sagte, es würde zu lange dauern, ein weiteres Sternenschiff zu bauen.
Die kleine Chelni Vorn war wieder im Holo. Ihr Kinn war weiß und zuckte etwas. Sie sagte den Reportern, sie hätte
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