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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Krankenhaus. Zwei der Wellensittiche starben, Peggy hatte einen ihrer Schwindelanfälle, und Miss Emmelines Verlobter, der im Krieg gefallen war, erschien bei einer Séance. Es ging drunter und drüber in der kleinen Pension.
    Das Buch wollte einfach nicht werden. Immer wieder nahm Robin es auseinander und gliederte neu, aber es wurde nur immer schlimmer. Sie arbeitete, von einer fieberhaften Gehetztheit gepackt, trotz heftiger Kopfschmerzen bis Mitternacht. Im East End war eine Scharlachepidemie ausgebrochen: Neil Mackenzie hatte viel zuviel zu tun, um sich jetzt um Robins Wohlbefinden oder ihre Verzweiflung über das Buch zu kümmern. Als sie zur Arbeit in der Klinik erschien, schickte sie die Schwester postwendend nach Hause und schimpfte, daß sie mit ihrem Husten die Gesundheit der Säuglinge und ihrer Mütter gefährde.
    Sie bekam Briefe von Helen, Maia, Richard und Daisy, die sich alle beschwerten, weil sie nichts von sich hören ließ. Und sie bekam eine Ansichtskarte aus Amerika von Francis. Im Vestibül stehend, sah Robin sich das Bild mit dem strahlend blauen Himmel und den weißen Stränden an. Sie berührte mit der Fingerspitze die aufschäumende Welle, die sich auf dem sonnenfunkelnden Sand brach, und konnte kaum glauben, daß es solche Orte auf Erden gab. Sie steckte die Karte ein; ihren Text wußte sie schon auswendig. »Im März bin ich wieder da. Vermisse Dich wahnsinnig. In Liebe, Francis.« Sie machte die Haustür auf und trat auf die Straße hinaus. Der Regen fiel in dicken, eiskalten Schnüren, und obwohl es erst früher Nachmittag war, brannten schon die Straßenlaternen. Die Mütze tief ins Gesicht gezogen, den Mantelkragen hochgeklappt, machte sich Robin auf den Weg zur Bibliothek.
    In der Bibliothek las sie eine Menge über Kinderkrankheiten und Ernährung während der Schwangerschaft und Stillzeit und verstand nichts. Obwohl sie durch das Fenster sehen konnte, daß aus dem Regen feuchter Schnee geworden war, und obwohl die anderen Bibliotheksbesucher alle in Mänteln und Mützen saßen, war ihr unangenehm heiß. Sie zog Mantel, Schal und Handschuhe aus, knüllte ihre Mütze zusammen und steckte sie in ihre Tasche. Ihr Gesicht brannte, und ihre Hände waren schweißfeucht. Sie machte sich Notizen, aber als sie sie noch einmal durchlas, ergaben sie wenig Sinn. Ihr Kopf tat unerträglich weh, und sie ging schließlich auf einen Sprung ins Café nebenan, um eine Tasse Tee zu trinken. Besser ging es ihr danach nicht. Sie kehrte an ihr Pult zurück, packte ihre Sachen und ging nach Hause.
    Es war niemand da. Auf dem Garderobentisch lag ein Zettel von Miss Emmeline: Sie sei bei ihrer Schwester im Krankenhaus, auf dem Ofen stehe ein Eintopf zum Abendessen. Beim Geruch des gekochten Fleisches wurde Robin übel. Sehr langsam ging sie die Treppe hinauf und legte sich auf ihr Bett.
    Sie wußte, daß sie krank war. Sie sehnte sich nach Francis, sie sehnte sich nach ihren Freunden. Sie sehnte sich nach ihrer Mutter. Sie zog die Schuhe aus, rollte sich im Bett zusammen, zog die Decke bis zum Kinn hoch und holte die Ansichtskarte aus ihrer Tasche. Sie starrte die saphirblauen Wellen an und den hellen Sand. Als ihr die Augen zufielen und sie einschlief, lag sie an diesem Strand, und furchterregende Geschöpfe stiegen aus dem Wasser und krochen lautlos über den feinen Sand zu ihr.
    Erschrocken und schweißgebadet fuhr sie aus dem Schlaf. Dann fror sie plötzlich wieder. Das Zimmer wirkte finster und fremd. Helen war bei ihr, und sie gingen durch ein riesiges, leeres Haus. Es hatte etwas Bedrohliches – die langen, trübe erleuchteten Gänge, die von Vorhängen verhangenen Fenster und die geschlossenen Türen verbargen nur halb das Schreckliche, das in diesem Haus lauerte. Helen hatte ihr weißes Kleid an, weiße Handschuhe, einen Strohhut und weiße Knopfschuhe. Sie gelangten zu einer Treppe. Oben sah Robin Maia und Vernon stehen. Sie stritten miteinander. Helen war plötzlich verschwunden, und Robin fühlte sich sehr allein, als sie sah, wie Maia sich langsam herumdrehte und Vernon einen Stoß gab, so daß er kopfüber die Treppe hinunterstürzte. Sie hätte Maia soviel Kraft nicht zugetraut. Vernon blieb am Fuß der Treppe liegen, aber als Robin noch einmal hinschaute, sah sie, daß sie sich geirrt hatte, es war nicht Vernon, der reglos lag, sondern Hugh. Sie begann zu schreien, und dann begann plötzlich das ganze Haus zu beben, und sie selbst wurde geschüttelt und gerüttelt … Als sie die Augen

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