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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Außerdem gingen die Aufträge unregelmäßig ein, je nachdem wieviel Glück Francis bei seinen Bemühungen hatte, neue Kunden aufzutreiben. Francis hatte ein kleines privates Einkommen, daher trafen ihn die unvermeidlichen Verdienstschwankungen weniger hart. Joe hingegen besaß seit dem Streit mit seinem Vater keinen Penny und besserte daher seine mageren Einkünfte aus der Druckerei mit regelmäßiger Arbeit in einer Bar auf.
    Er kam mit Müh und Not über die Runden. Vor Clodie war es leichter gewesen zurechtzukommen. Ihr Mann war zwei Jahre zuvor bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen und hatte sie mit einer kleinen Tochter mittellos zurückgelassen. Sie nähte in Heimarbeit, aber Joe wußte, wie schwierig es für sie war, mit dem, was sie dabei verdiente, auszukommen. Dennoch waren Clodie und Lizzie stets anständig gekleidet, das Haus immer sauber und aufgeräumt. Dafür bewunderte Joe sie und wunderte sich, wie sie es schaffte. Er hatte sowohl im East End Londons als auch im Norden Englands mit eigenen Augen gesehen, wie andere unter der Bürde der Armut allen Halt verloren. Und der tiefe Zorn über das, was er gesehen hatte, hatte ihn letztlich zum Sozialismus geführt. Dies und, er mußte es zugeben, das Wissen, wie sehr seine politische Einstellung seinen Vater erboste. Seit der Entzweiung mit seinem Vater schickte Joe ihm gelegentlich dieses oder jenes politische Flugblatt – vorzugsweise aufrührerischen Inhalts über den Kapitalismus oder die Arbeiterrevolution. Es erfüllte John Elliot mit wütender Erbitterung, daß sein Sohn – seit Johnnies Tod sein einziger Sohn – sein Erbe in den Wind geschlagen und (in den Augen seines Vaters) Kommunist geworden war. Seit seinem achtzehnten Geburtstag hatte sich Joes Kontakt mit ihm auf die politischen Schriften beschränkt, die er ihm ab und zu schickte. Seiner Mutter erinnerte sich Joe mit schmerzhafter Deutlichkeit, von seinem Stiefbruder Johnnie, der 1918 in Flandern gefallen war, hatte er nur ein unklares, aus Stereotypen zusammengesetztes Bild: Studentensprecher seines Colleges, Kapitän sowohl der ersten Cricket- als auch der ersten Rugbymannschaft, blond, blauäugig, brutal, konventionell. Augapfel seines Vaters. Johnnie war seinem Vater nachgeschlagen: Das einzig Unkonventionelle, was John Elliot in seinem ganzen Leben getan hatte, war, in zweiter Ehe eine Französin zu heiraten. Manchmal hatte Joe den Verdacht, daß sein Vater ihn haßte, weil er, wenn er ihn ansah (groß, dunkle Haare, dunkle Augen), an die einzige Zeit in seinem Leben erinnert wurde, als er wahrhaft geliebt hatte.
    Nach der Versammlung ging Robin direkt nach Hause. Sie war spät dran, aber sie besänftigte die Wirtin der kleinen Familienpension mit Entschuldigungen und Erklärungen. Nachdem sie ihre Briefe vom Garderobentisch genommen hatte, ging sie in ihr Zimmer und zündete die Gaslampe an.
    Das Haus gehörte zwei unverheirateten Schwestern. Die ältere Miss Turner besaß hinten im Garten eine Voliere mit Wellensittichen; die jüngere Miss Turner hatte ein Faible für das Okkulte. Weder die abendlichen Séancen noch das frühmorgendliche Gekreische der Vögel konnte Robins Befriedigung darüber, ihr eigenes Zimmer zu haben, schmälern. Sie liebte es von den wuchtigen Mahagonimöbeln bis zur verblichenen Blümchentapete. Das schrille Bild vom »Licht der Welt« hatte sie einfach mit einem seidenen Tuch zugehängt, das sie jeden Donnerstag abnahm, wenn die Jüngere Miss Turner saubermachte.
    Nachdem sie Licht gemacht hatte, schlüpfte sie aus ihrem Mantel und ließ sich auf das Bett fallen. Sie hatte das Abendessen verpaßt und kam fast um vor Hunger; nach einigem Kramen entdeckte sie im Nachttisch eine Dose Kekse. Dann öffnete sie ihre Post. Der erste Brief war von Maia. Robin verschluckte sich beinahe an einer Rosine, als sie von Maias Verlobung las. »Der Brillant an meinem Ring ist so groß, daß man ihn nur vulgär nennen kann«, schrieb Maia. »Es ist herrlich mit anzusehen, wie Tante Margery sich krampfhaft bemüht, großmütig zu sein, während sie ständig mit sich ringen muß, ihren Neid zu verbergen.« Dann folgten Beschreibungen vom Haus des Verlobten, seines Automobils, seiner Arbeit. Nicht ein Wort von Liebe. Maia war sowenig eine Romantikerin wie Robin. Aber für Maia bedeutete Heirat offensichtlich wirtschaftliche Befreiung und nicht wirtschaftliche Abhängigkeit. »Na, dann mal viel Glück«, sagte Robin laut und warf den Brief lächelnd zur Seite.
    Ihr

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