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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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dann Francis, der lässig an der Wand lehnte. Dann war sie, immer noch argumentierend, verschwunden.
    Joe ging die zwei Kilometer zu Clodies Haus zu Fuß, weil er hoffte, er würde dadurch einen klaren Kopf bekommen. Im vorderen Fenster der kleinen Villa brannte Licht, als er ankam. Clodies Gesicht jedoch, als sie ihm die Tür öffnete, wirkte brummig.
    »Lizzie ist eben erst eingeschlafen. Du weckst sie mir noch auf mit dem Krach.«
    Er hatte zweimal sehr leicht an die Tür geklopft. »Ich bin ganz leise«, flüsterte er. »Schau – ich hab Pralinen mitgebracht.«
    Sie riß begierig die Augen auf, als er ihr die Tüte mit den Cremehütchen zeigte. Er kaufte die Süßigkeiten immer für Lizzie, aber meistens aß Clodie die Hälfte selbst. Sie war so versessen auf Süßigkeiten wie ein kleines Kind; man hätte ihr das angesichts ihrer hübschen, ausgesprochen verführerischen Figur gar nicht zugetraut. Immer noch mürrisch, ließ sie ihn ins Haus. »Na gut, dann setz dich, wenn du schon mal hier bist«, sagte sie wenig gastfreundlich.
    »Ist Lizzie krank?« Lizzie war Clodies sechsjährige Tochter.
    »Sie hat es an den Drüsen.« Clodie kaute ein Cremehütchen und sah Joe mißmutig an. »Vielleicht hat sie Mumps.«
    »Das hab ich mal gehabt.« Er erinnerte sich, daß er früher aus der Schule hatte nach Hause gehen dürfen und ihm das Gesicht höllisch weh getan hatte. Er fügte hinzu: »Wir hatten gestern abend eine Party. Die Bude schaut unmöglich aus. Kann ich heute nacht auf deinem Sofa schlafen?«
    Er sah, daß er sie schon wieder verärgert hatte, diesmal jedoch aus einem anderen Grund.
    »Und – hast du ein nettes Mädchen kennengelernt?« fragte sie kauend.
    Er war klug genug, sie nicht zu necken. »Ach, nur die gewohnte Bande. Keine rothaarigen Schönheiten.«
    Endlich lächelte sie. Clodies Haar war das Auffallendste an ihr – sie hatte es niemals schneiden lassen, nicht einmal als der Bubikopf die große Mode gewesen war. Wenn sie es löste, fiel es in krausen Locken von einem prachtvollen hellen Rot bis zu ihrer Taille hinunter.
    »Möchtest du eine Tasse Tee, Joe?«
    Er folgte ihr in die Küche. Der kleine Raum war blitzsauber: jener Teil von ihm, der sich noch mit Schmerz seiner französischen Mutter erinnerte und der heiteren Eleganz, die sie mit leichter Hand in das große düstere Haus in Yorkshire gebracht hatte, wußte, daß einer der Gründe, warum er immer wieder zu Clodie zurückkehrte, sich ihre Launen gefallen ließ und versuchte, sie aufzumuntern, der war, daß er sich in diesem kleinen Haus so wohl fühlte. Bürgerlich, hätte Francis es genannt. Aber es tat gut, die Nacht in einem Haus zu verbringen, in dem das Geschirr gespült und aufgeräumt war, die Bettwäsche sauber, die Speisekammer gefüllt.
    Er beobachtete sie, während sie Tee machte. Ihre Bewegungen waren flink und geschickt. Er dachte an Lizzie, die er liebgewonnen hatte.
    »Warst du mit Lizzie beim Arzt?«
    Clodie schüttelte den Kopf. »Ich hab die zehn Shilling nicht. Ich weiß nicht, wo das Geld diese Woche geblieben ist.« Ihre Stimme hatte wieder den weinerlichen Unterton.
    Joe kramte in seiner Tasche, fand die halbe Krone von Francis und seine eigene. »Hilft dir das weiter?«
    Sie nahm das Geld, sagte jedoch argwöhnisch: »Du glaubst doch hoffentlich nicht –«
    »Unsinn!« Sein Kopf dröhnte, er brauchte unbedingt einen Tee. Und Schlaf. »Ich hab dir doch gesagt, Clodie, ich bin hundemüde.« Besänftigt näherte sie sich ihm und berührte sein Gesicht. »Du hättest dich rasieren sollen.«
    »Tut mir leid, Schatz. Ich konnte mein Rasierzeug nicht finden.«
    »Du bist ganz kratzig.« Sie schob ihre Finger durch sein Haar. Ihre grünen Augen blitzten. Joe nahm ihre Hand und küßte sie und zog die Nadeln aus ihrem Haar, so daß es ihren Rücken herabfiel. Sie knöpfte ihre Bluse auf, und er neigte den Kopf und küßte ihre Brüste.
    »Du willst doch gar nicht auf der Couch schlafen, oder, Joe?« flüsterte sie, und er schüttelte den Kopf. Er tat ihm nicht mehr weh.
    Joe Elliot lebte in London, seit er vier Jahre zuvor Hals über Kopf eines der wenigen noblen Internate im Norden verlassen hatte. Seit etwa der Hälfte dieser Zeit teilte er die Souterrainwohnung mit Francis und der Druckerpresse. Mit der Presse verdienten sie nur Geld, wenn sie sie zur Herstellung kommerzieller Prospekte und Reklamezettel nutzten. Mit dem übrigen Zeug – politische Streitschriften und Flugblätter – machten sie häufig Verluste.

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