Das Winterhaus
mag. Weil schöne Kleider bei mir keine Verschwendung sind.«
Vernon antwortete nur mit einem kurzen Nicken der Zustimmung oder des Beifalls. Die Straße schlängelte sich durch welliges Hügelland, und der Schnee fiel dichter. Die Flocken tanzten wie Konfetti im gelben Licht der Scheinwerfer.
Maia fragte neugierig: »Warum wollten Sie reich sein?«
»Weil man dann niemanden um etwas bitten muß. Je mehr man hat, desto mehr bekommt man.«
Es fröstelte ihr. Er warf ihr einen besorgten Blick zu.
»Nehmen Sie meinen Schal. Es tut mir leid, Darling – ich hätte Sie nicht bis nach London geschleppt, wenn ich gewußt hätte, daß es so unangenehm werden würde.«
Sie schüttelte den Kopf und lächelte, weil er sie zum erstenmal »Darling« genannt hatte. »Mir fehlt nichts«, erklärte sie. »Ich bin nur ein wenig müde.«
»Trinken Sie noch einen Schluck Brandy. Dann schlafen Sie vielleicht.«
Maia folgte seiner Empfehlung und nickte tatsächlich eine Weile ein. Als sie erwachte, sah sie am kupferfarbenen Glanz des Himmels, daß es fast Morgen war.
»Gleich sind wir da«, sagte Vernon.
Er wirkte nicht müde; er fuhr immer noch schnell und sicher. Maia bewunderte seinen Stil: Die schnellen, kurzen Bewegungen seiner Handgelenke, wenn er das Lenkrad drehte, seine Fähigkeit, nach einer Nacht ohne Schlaf hellwach zu sein. Sie hatte große Achtung vor Tüchtigkeit und Ausdauer. Das waren Eigenschaften, die sie selbst besaß und ihrem Vater gefehlt hatten.
Vernon bremste ab, drosselte das Tempo, um in die gekieste Auffahrt zu einem Haus einzubiegen. Der Wagen schlingerte ein wenig, als er ihn herumzog, aber er brachte ihn sofort wieder auf Spur. Lorbeerbüsche, deren Laub von Schnee beschwert war, säumten die Auffahrt. Über ihnen wölbten sich die langen Äste hoher Buchen. Maia war plötzlich hellwach. Dies mußte sein Haus sein. Vernon Merchant wollte sie in sein Haus mitnehmen.
Der Wagen hielt vor einem sehr großen Gebäude in verschnörkeltem viktorianischem Stil, aus rotem Backstein, mit zahllosen Türmchen, Giebeln und Schornsteinen.
»Ich habe es vor einigen Jahren bauen lassen«, erklärte Vernon. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, einen Moment zu bleiben. Ich muß nur einige Anrufe erledigen. Sie können sich inzwischen aufwärmen. Sie sehen ganz durchgefroren aus, Darling.«
Maia genoß dieses zweite »Darling«. Ein Dienstbote öffnete die Wagentür, und Maia stieg aus und eilte durch das Schneetreiben zum Haus. In der Eingangshalle griff Vernon zum Telefon.
Die Halle war mit Marmor gefliest und bis etwa auf halbe Höhe dunkel getäfelt. Ölgemälde, die Stilleben mit Früchten, toten oder sterbenden Tieren zeigten, hingen an den Wänden. Die Treppe war breit und geschwungen, hochherrschaftlich, ihre Endpfosten mit geschnitzten Adlerköpfen geziert.
Maia wurde in einen großen, behaglich eingerichteten Raum geführt. Auf dem Tisch stand ein Tablett mit heißer Schokolade und Keksen, im offenen Kamin brannte ein Feuer. Sie streckte ihre Hände der Wärme entgegen.
Als sie die Schokolade trank, hörte sie Schritte und wie die Tür geschlossen wurde. Sie drehte sich herum. Vernon war hereingekommen.
»Nur eine kleine Krise. Schon erledigt. Eine verspätete Lieferung – reine Inkompetenz, fürchte ich.«
»Was haben Sie getan?«
»Ich habe ihn natürlich entlassen.« Er kam auf sie zu.
»Lassen Sie denn nie einmal alle fünfe gerade sein?«
Er lächelte, aber seine Augen waren hart und dunkel. »Nein. Nur darum habe ich das hier alles, Maia. Darum bin ich ein reicher Mann und habe ein schönes Haus und kann mir alles leisten, wonach es mich gelüstet.«
Obwohl ihr warm geworden war, fröstelte sie plötzlich wieder. Er hatte im Grunde genau das wiederholt, was sie zu ihm im Wagen gesagt hatte.
»Ihnen ist immer noch kalt, Maia«, sagte er. »Kommen Sie, lassen Sie sich von mir wärmen.« Er streifte Margerys Nerz von ihren Schultern. Dann küßte er sie.
Diesmal war es alles andere als eine züchtige, oberflächliche Berührung ihres Mundes. Seine Lippen drängten die ihren auseinander, seine Zunge kostete von ihrem Mund. Mit beiden Armen fesselte er sie an sich, während er mit seinen Händen durch das dünne Seidenkleid hindurch die Formen ihres Körpers erforschte. Sie empfand eine Mischung aus Erregung und Furcht. Er ergriff von ihrem Körper Besitz, als gehörte er ihm und nicht ihr. Ihr war, als stünde sie neben sich und beobachtete die Szene, während eine feine Stimme
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