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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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flüsterte: Er möchte wissen, was er kauft …
    Sie stieß ihn plötzlich weg. »Nein«, stieß sie heiser hervor. »Nein!«
    Zu ihrer Erleichterung ließ er sie los. »Warum nicht?«
    Sie konnte nicht sprechen, schüttelte nur stumm den Kopf.
    »Sind Sie noch Jungfrau, Maia?«
    Sie fühlte sich plötzlich schrecklich erschöpft und den Tränen nahe. Meine Unschuld ist das einzige, was ich habe, dachte sie. Ohne sie wäre ich nicht soviel wert. Sie nickte.
    Einen schrecklichen Moment lang glaubte sie, er würde sie auslachen. Dann aber sagte er: »Gut. Sonst würde ich Sie nämlich nicht heiraten wollen«, und eine Welle des Triumphs und der Erleichterung überschwemmte sie.

2
     
    Joe und Francis kamen wie immer zu spät zur Versammlung der Independent Labour Party im Bezirk Hackney; Francis, weil er verschlafen hatte (es war neun Uhr abends), und Joe, weil er hatte arbeiten müssen. Über Taschen, Füße und Stuhlbeine stolpernd, quetschten sie sich in die letzte Reihe der überfüllten Halle. »Mist«, fluchte Francis, als ein Spazierstock, der von einem Stuhlrücken herabhing, scheppernd zu Boden fiel. Einige Leute drehten sich um und verlangten Ruhe.
    Der Redner kam zum Abschluß.
    »Gemeindegrenzen«, flüsterte Francis ziemlich laut. »Stinklangweilig.«
    Die Fragen begannen. Francis fielen die Augen zu, sein Kopf sank ihm auf die Brust. Auch Joe war müde; die Party gestern abend in der Souterrainwohnung, die er und Francis sich teilten, hatte überhaupt kein Ende nehmen wollen; ja, er war nicht einmal sicher, ob sie inzwischen zu Ende gegangen war. Es war nichts Eßbares mehr in der Wohnung, und er war hundemüde, und jemand hatte seine Matratze gestohlen.
    Joe hörte erst wieder aufmerksam zu, als die Diskussion, der besonderen Dynamik folgend, die diese Versammlungen auszeichnete, von den Gemeindegrenzen über Kindergeld für alle zur Gleichberechtigung von Mann und Frau führte. Einjunges Mädchen, das irgendwo weiter vorn saß, ein Mädchen, dessen Stimme Joe nicht kannte, legte sich heftig ins Zeug.
    »Ehe und wirtschaftliche Abhängigkeit der Frau sind aber doch untrennbar? Die Ehe ist der Grundstein weiblicher Abhängigkeit.« Ein Mann knurrte: »Die Menschheit wird sich ohne sie nicht lange halten, Genossin«, und es folgte dünnes Gelächter.
    »Ich wollte damit nicht sagen, daß Männer und Frauen sich nicht lieben oder keine Kinder bekommen sollen.«
    Joe bemerkte, daß auch Francis wach war. Francis' Augen blitzten. »Ach, empfehlen Sie dann die freie Liebe, Miss?«
    »Wenn Sie es so nennen wollen – ja.« Ihre Stimme war kämpferisch.
    Joe murmelte: »Für die freie Liebe bin ich immer.«
    »Sie ist wahrscheinlich eins achtzig groß, trägt handgewebte Kleider und hebt vor dem Frühstück Gewichte.« Francis gähnte. »Mensch, hab ich einen Hunger«, fügte er hinzu. »Ich hab seit Tagen nichts mehr gegessen.«
    Joe wühlte in seiner Tasche nach Geld. »Wetten, daß sie nicht so ist.«
    »Wie nicht?«
    »Na, eins achtzig groß und so weiter. Ich lad dich zum Essen ein, wenn sie auch nur ein einziges selbstgewebtes Kleidungsstück trägt.«
    »Abgemacht«, sagte Francis lachend.
    Die Diskussion wurde hitzig. Normalerweise wäre Joe eingestiegen, aus reiner Lust am Diskutieren, aber heute fühlte er sich noch zu benebelt. Die Nachwehen eines ziemlich üblen Katers wurden durch die lauten Stimmen verstärkt.
    Um elf Uhr war die Versammlung zu Ende. Joe und Francis standen beide auf und reckten die Hälse, um nach vorn zu sehen.
    Sogar auf dem Weg zur Tür debattierten sie immer noch. »Die Stellung der Frau in der Ehe mag ein unangenehmes Thema sein, Mr. Taylor, aber gerade wir, in der Labour Party, können es uns nicht leisten, ihm auszuweichen. Ja, ich bin der Meinung, daß eine verheiratete Frau die Möglichkeit zur Verhütung haben sollte, selbst wenn ihr Ehemann das nicht will. Meiner Meinung nach sollten allen Frauen die Mittel zur Geburtenregelung kostenlos zur Verfügung gestellt werden.«
    Sie war sehr klein. Ungefähr einen Meter fünfundfünfzig, zierlich, ihre Körperformen kaum sichtbar unter einem Kleid aus weichem dunkelbraunem Stoff. Keineswegs handgewebt. Ihre Augen hatten die gleiche Farbe wie das Kleid, ihr kurzes seidiges Haar war dagegen viele Töne heller.
    »Zum Anbeißen«, murmelte Francis. Er drückte Joe eine halbe Krone in die Hand. »Das Essen spendier ich.«
    Joe schüttelte den Kopf. »Ich geh zu Clodie.«
    Der Blick des Mädchens streifte sie kurz, zuerst Joe,

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