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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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die Hände. In der Ferne hörte sie die Stimmen ihres Vaters und Hughs, und ihre Gedanken wurden zurückgezogen zu jenem schrecklichen Tag im Jahr 1918. Sechs Jahre war das jetzt her, aber sie erinnerte sich immer noch mit schrecklicher Klarheit an jenen Tag, an dem die Telegramme gekommen waren. Für so vieles waren sie die Ursache gewesen: für Richard Summerhayes' und Robins Pazifismus und für dieses Exil. Ihr Zorn schwand, und als sie draußen Schritte hörte, rieb sie sich mit dem Ärmel die Augen.
    »Da bist du, Rob.« Hugh schaute zur Tür herein. »Was ist denn das für ein finsteres Loch?«
    Hugh war über einen Kopf größer als Robin, und sein welliges Haar war heller. Seine hellbraunen Augen lagen tief in einem schmalen Gesicht mit hohen Wangenknochen und einer scharfen Nase.
    »Ich hätte es gern für mich.«
    Hugh sah sich skeptisch um, musterte den Ofen, das Bett, die Veranda.
    »Die Bude muß für eine Schwindsüchtige gebaut worden sein. Sie hat bestimmt das ganze Jahr hier draußen gelebt, das arme Ding.«
    Robin fiel auf, daß Hugh genau wie sie vermutete, in der Hütte müsse früher eine Frau gewohnt haben. Durch den Spiegel vielleicht.
    »Es ist ein Winterhaus, stimmt's, Hugh? Kein Sommerhaus.«
    Hugh lachte, aber er sah müde und blaß aus. »Es sollte abgerissen und niedergebrannt werden, Robin. Ich meine – Tuberkulose …«
    »Ich mach es sauber. Ich schrubb es von oben bis unten mit Desinfektionsmittel.«
    Einer der kleinen Muskeln neben Hughs Auge zuckte. Robin nahm ihren Bruder bei der Hand und führte ihn auf die Veranda hinaus.
    »Schau«, sagte sie leise.
    Die Welt lag vor ihnen ausgebreitet. Rauhreif hing an den Schilfgräsern und machte jede Rispe zu einem kleinen Wimpel. Die Sonne schien durch die lichter werdenden grauen Wolken, und in der dunklen Wasserfläche vor der Veranda spiegelten sich Schilf, Sonne und Himmel.
    »Im Sommer«, sagte sie, »werden wir ein Boot haben und bis in alle Ewigkeit rudern. Wir werden uns hoffnungslos verirren.«
    Hugh sah zu seiner Schwester hinunter und lächelte.
    In dieser Verbannung begann sie, alle möglichen Dinge zu sammeln, und bewahrte sie im Winterhaus auf. Körbe mit blassen Muscheln; Marmeladengläser voll langer Schweiffedern; die abgeworfene Haut einer Schlange, spröde und trocken; einen Kaninchenschädel aus papierfeinem weißem Bein. Sie sammelte auch Menschen, und ihre Wißbegierde, ihr brennendes Interesse daran, wie andere lebten, trugen ihr häufig Zurechtweisungen von Daisy ein. Es ist ungezogen, andere Leute anzustarren, Robin. Was für Fragen! Die Frau, die zum Putzen ins Haus kam, der Mann, der am Fluß Weidenruten sammelte und Aalfallen aus ihnen machte, der Hausierer, der vom Krieg traumatisiert auf einem Bein von Dorf zu Dorf humpelte und Wäscheklammern und Streichhölzer verkaufte – mit allen unterhielt sie sich endlos.
    Und Helen und Maia. Robin begegnete Maia Read im ersten Halbjahr in der Schule und Helen Ferguson im folgenden Sommer, als sie auf dem Fahrrad die Fens durchstreifte. Maia war dunkel und schön und selbst in der gräßlichen Schulturnhose elegant. Sie war scharfsinnig und auf eine stille Weise rebellisch und interessierte sich nicht im entferntesten für die Politik, die Robins Leidenschaft war.
    Helen wohnte im benachbarten Weiler Thorpe Fen. Als Robin sie auf dem Weg von der Bushaltestelle zu ihrem Haus das erstemal sah, trug sie ein weißes Kleid, weiße Handschuhe und einen Hut, wie Robins dunkler Erinnerung nach ihre Mutter ihn vor dem Krieg getragen hatte.
    Helen sagte höflich: »Sie gehen sicher in die Lukaskirche, Miss Summerhayes. Das ist von Blackmere aus näher, nehme ich an.«
    »Wir gehen nicht zur Kirche. Wir sind Agnostiker. Die Religion ist nur ein Mittel, um die soziale Ordnung zu bewahren«, erklärte Robin, die ihr Fahrrad den durchfurchten Trampelpfad entlangschob, genau in dem Moment, als Helen mit rotem Gesicht ein großes gelbes Backsteinhaus erreichte und eine Pforte mit dem Schild »Pfarrhaus« aufstieß.
    Irgendwie, obwohl so vieles gegen sie sprach, überlebte die Freundschaft und gedieh. Maia und Helen wurden bald in das geschäftige Leben der Familie Summerhayes eingespannt. Eine Entschädigung, dachte Robin oft, für die schreckliche Unwirklichkeit der Fens.
    Im warmen Frühling 1928 hockten sie auf Kissen auf der Veranda des Winterhauses und freuten sich auf ein freies Leben.
    »Nur noch ein Halbjahr«, sagte Robin. Die Arme um die hochgezogenen Beine geschlungen,

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