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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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bewußt.
    An diesem Abend waren sie zehn Personen beim Essen: die vier Summerhayes; Maia; der Maler Merlin Sedburgh; Hughs alter Schulfreund Philip Shaw; Ted und Mary Warburton von der Sozialdemokratischen Vereinigung Cambridge; und Persia Mortimer, die vor langer Zeit Daisys Brautjungfer gewesen war. Persia hatte eine Vorliebe für Perlen, indische Schals und erstaunliche Kopfbedeckungen. Merlin (Robin konnte sich nicht erinnern, Merlin jemals nicht gekannt zu haben) konnte Persia nicht ausstehen und gab sich keine Mühe, es zu verbergen. Es amüsierte Robin, daß Persia in ihrer Unbekümmertheit seine Abneigung nie wahrgenommen hatte.
    »Ich habe gehört«, sagte Persia beim Pudding, »daß du jetzt Landschaften malst, Merlin, Darling.«
    Merlin grunzte und starrte Maia an. Er hatte sie schon den ganzen Abend angestarrt.
    »Landschaften bieten eine solche Vielfalt, findest du nicht auch? Und eine Landschaft kann man nicht ausbeuten.«
    Merlin, der sich gerade eine Zigarette anzündete, zwinkerte. Er war ein großer, massiger Mann mit zottigem ergrauendem Haar. Seine Jacken waren oft an den Ellbogen durchgescheuert. Daisy flickte seine Kleider und hatte immer etwas zu essen für ihn. Sie war der einzige Mensch, zu dem Merlin nie unhöflich war.
    »Ausbeuten?« wiederholte Merlin, sich Persia zuwendend.
    »Nun, es ist doch eine Art von Prostitution, nicht?« Persia zog ihren weiten Ärmel aus dem Dessert.
    Richard Summerhayes' Mundwinkel zuckten. »Vielleicht bezieht sich Persia auf deine letzte Ausstellung, Merlin.«
    Richard, Daisy und Robin waren nach London gereist, um sich Merlins neueste Arbeiten anzusehen. Der Titel der Ausstellung war »Akte in einer Mansarde« gewesen und hatte dasselbe Modell in einer Vielfalt von Posen vor dem Hintergrund von Merlins großer, aber düsterer Mansarde gezeigt.
    »Eigentlich«, erklärte Persia, »habe ich alles Figürliche gemeint. Porträts, Familiengruppen, Akte natürlich. Das sind alles Übergriffe. Unbefugtes Eindringen in die Seele. Darum ziehe ich meine kleinen Abstrakten vor.«
    Persia machte riesige Stoffcollagen, die bei einigen der Bloomsbury-Clique ungeheuer populär waren.
    Maia sagte: »Wenn ich also zum Beispiel Merlin Modell stünde – dann würden Sie sagen, ich prostituiere mich?«
    Persia berührte Maias Hand. »Im übertragenen Sinn, Darling, ja.«
    Merlin prustete geringschätzig.
    »Aber wenn ich mich dafür entscheide …«
    »Aha!« unterbrach Richard erheitert. »Gutes Argument, Maia. Der freie Wille –«
    »Es käme doch eher darauf an, meinst du nicht, Richard, ob Mr. Sedburgh Miss Read für ihre Dienste als Modell bezahlen würde.«
    »Der Austausch von Arbeit gegen Geld verleiht natürlich der Beziehung Würde, Ted.«
    »Du meinst, wenn man sie bezahlt, dann ist sie keine Hure?«
    »Mr. Sedburgh!« Hughs Freund Philip Shaw war schockiert. »Es sind Damen anwesend.«
    Er sprach, erkannte Robin, von Maia, die in ihrer weißen Bluse und dem marineblauen Rock heiter, unberührt und rein aussah.
    »Kaffee«, sagte Daisy energisch und räumte das Dessertgeschirr ab. Zum Kaffeetrinken und Rauchen begaben sie sich in den Salon. Richard Summerhayes hatte für die übliche Trennung der Geschlechter nach dem Abendessen nichts übrig. Da nicht genug Sitzgelegenheiten da waren, ließ sich Philip Shaw anbetend zu Maias Füßen nieder, und Robin setzte sich aufs Fensterbrett.
    »Donald arbeitet gerade am Programm für dieses Jahr, Richard«, bemerkte Ted Warburton. »Wann kann er dich für einen Vortrag eintragen?«
    Richard Summerhayes runzelte die Stirn. »Oh – am liebsten irgendwann im Herbst, Ted. Die Prüfungen verschlingen immer soviel Zeit im Sommer.«
    »Und das Thema?«
    »Der Völkerbund vielleicht – oder – lassen Sie mich überlegen – die Folgen der russischen Revolution.«
    Robin zupfte ihren Vater am Ärmel. »Die russische Revolution bitte, Pa.« Sie hatte eine verschwommene Erinnerung an die gedämpften Feiern im Haus Summerhayes anläßlich der sozialistischen Revolution von 1917. Gedämpft, weil Hugh sich gerade mit seinem Bataillon nach Frankreich eingeschifft hatte.
    »Und ich glaube, Mary hat das Datum für den Wohltätigkeitsbasar festgesetzt.«
    »Auf den zehnten Juni, Daisy.«
    »So bald schon? Da werden wir uns sputen müssen, nicht wahr, Robin?«
    »Aber Miss Summerhayes hat vielleicht Besseres zu tun«, meinte Ted Warburton neckend. »Ein junger Mann vielleicht …?«
    Robin zog ein finsteres Gesicht. Richard Summerhayes

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