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Das wird mein Jahr

Das wird mein Jahr

Titel: Das wird mein Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Lange
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zwischen Bruder und Schwester, oder …« Weiter kam ich nicht, denn sie legte ihre Hand vorsichtig auf meinen Mund, ohne mich dabei anzuschauen. Okay, dann eben nicht reden. Während der nächsten Zeit schaute ich immer wieder zu ihr rüber, und wenn sich unsere Blicke trafen, lächelten wir uns kurz an, aber so sehr ich mich auch anstrengte, ich konnte ihre Gedanken nicht erraten.
    »Wirst du wieder zurück nach Ungarn fahren, wenn du mich in Leipzig abgesetzt hast?«, fragte sie mich nach einer schieren Ewigkeit des Schweigens. Ich schreckte auf aus meinen Gedanken.
    »Ich weiß noch nicht«, erwiderte ich. »Ich kenne da drüben niemanden. Aber vielleicht hat Andi recht. Sollich  bis zur Rente als Gärtner arbeiten, für sechshundert Glocken im Monat, von denen ich mir nix kaufen kann? Was haben wir denn überhaupt für Möglichkeiten in den nächsten Jahren? Bei uns steht doch alles still. Da wird man völlig depressiv.«
    Anke knuffte mich in den rechten Oberarm. »Mensch, Blume, nicht so pessimistisch. Mein Vater meint, das wird sich irgendwann schon ändern, da oben in Berlin.«
    »Na ja, danach sieht’s aber überhaupt nicht aus. Das Politbüro ist doch wie Willy DeVille. Der ist von vorgestern, den will niemand mehr hören oder sehen, aber ständig ist er in der BRAVO. Das ist so ’n Selbstläufer, und keiner kommt auf die Idee, den mal wegzulassen. Aber The Smiths sind nie in der BRAVO, obwohl die tausendmal besser sind.«
    Wir sprachen und schwiegen noch einige Zeit und fuhren immer weiter in Richtung Grenze. Nach Hause. Anke und ich.

3. Hey Little Girl
    Wir hatten durchgesprochen, was wir antworten, wenn uns die Grenzer ausquetschen würden. Vor allem wegen der Fahrzeugpapiere des Wartis, die auf Andis Mutter ausgestellt waren. Aber die Einreise in die Deutsche Demokratische Republik war zu unserem Erstaunen völlig unkompliziert gewesen. Keine dummen Fragen, keine Gepäckkontrolle.
    Als der Grenzer etwas länger in die Fahrzeugpapiere schaute, sagte ich, seine Gedanken erahnend: »Der Wagen ist auf meine Mutter angemeldet. Sie hat einen anderen Nachnamen als ich. Aber sie sehen ja anhand der Adresse, dass wir zusammenwohnen.«
    Der Uniformierte nickte beruhigt, gab mir die Papiere zurück und wünschte uns eine gute Fahrt.
    »Die sind bestimmt froh, dass noch jemand wieder zurückkommt«, meinte Anke trocken, als wir den Übergang passiert hatten.
    Es war gegen zwei Uhr morgens, als ich Anke vor dem Haus ihrer Eltern absetzte. Ich half ihr mit dem Gepäck bis zur Tür, und zum Abschied küsste sie mich auf eine irritierende Weise, so ein Mittelding zwischen Kumpel-Kuss und Miteinander-Gehen-Kuss. Aber es war schon spät, und ich war zu müde, um jetzt noch Fragen zu stellen.
    »Ich ruf dich an«, sagte sie und lächelte mich dabei an. Ich stieg verwirrter ins Auto, als ich ausgestiegen war.
    Das Frühstück hatte ich komplett verschlafen, also saß ich mit meinen Eltern zusammen am Mittagstisch in unserer kleinen Küche. Ich erzählte ihnen von Andi und Katrin, und meine Mutter tätschelte meine Hand und sagte, dass sie sich freue, dass ich zurückgekommen sei. Mein Vater nickte nur stumm. Dabei streichelte er kurz meinen Kopf, und für einen kleinen Moment fühlte ich mich, als ob ich noch mal dreizehn Jahre alt wäre. Damals war ich aus dem Ferienlager mit Liebeskummer zurückgekommen und saß traurig auf der Eckbank, und mein Vater hatte mir genauso mit seiner Hand über den Kopf gestreichelt.
    »Du lässt uns nicht hängen, nicht wahr? Jetzt, wo ich endlich das Material für die neue Gartenlaube zusammen habe«, sagte er noch und klopfte auf meine Schulter. Dann stand er auf und ging auf den Balkon, um zu rauchen, weil meine Mutter nicht wollte, dass die Wohnung nach Zigarettenqualm stank.
    »Ich muss jetzt mal hoch zu Andis Mutter«, sagte ich.
    Die Mutter von Andi öffnete mir im Morgenmantel, obwohl es schon nach vierzehn Uhr war, aber das war bei  ihr nichts Ungewöhnliches. Sie hatte eine Zigarette im Mund und winkte mich ins verqualmte Wohnzimmer. Heute wirkte sie zerzauster als sonst, und ich bekam schlagartig Schiss vor dem Gespräch, das jetzt folgen würde.
    »Setz dich«, sagte sie zu mir und ließ sich selber auf das Sofa fallen. »Andi hat vorhin angerufen. Aus Stuttgart«, erwähnte sie fast beiläufig mit ihrer tiefen, rauchigen Stimme.
    Mir fiel hörbar ein Stein vom Herzen. »Dann hat er es also wirklich geschafft«, sagte ich.
    »Mich wundert, dass du nicht gleich mit

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