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Das wird mein Jahr

Das wird mein Jahr

Titel: Das wird mein Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Lange
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gefärbt?«, fragte ich.
    »Mit knallroten Haaren schauen dich die Leute bei der Arbeit hier immer gleich so komisch an. Ich jobbe nebenbei in einer Arztpraxis. Und ich bin ja auch kein Teenager mehr. Wieso fragst du, gefällt es dir nicht?«
    »Doch, aber ich hätte dich fast nicht wiedererkannt.« Dieses belanglose Gelaber. Ich war auch nicht besser als sie. Aber ich wollte es versuchen.
    Mein rechter Arm lag ausgestreckt auf der Rückenlehne des Sofas und ich griff vorsichtig nach ihrer Hand, die ebenfalls dort lag. Anke ließ es geschehen, und ich fragte etwas unverschämt: »Sag mal, wohnst du eigentlich alleine hier?« Sie nickte, beugte sich langsam zu mir rüber und begann mich zu küssen.
    Endorphine, Adrenalin, Testosteron – alles wirbelte durcheinander. Ein Mix in einer Dosis, die jenseits aller Normwerte lag. Ich balancierte, ohne mich von ihr abzuwenden, den Kaffeepott mit meiner rechten Hand auf den Fußboden und zog Anke zu mir rüber. Sie legte sich neben mich auf die viel zu schmale Couch, während wir nicht aufhörten uns zu küssen. Damals am Balaton war alles noch zögerlich und abwartend gewesen, aber jetzt schien jede Unsicherheit verflogen. Mit meinen Händen hielt ich ihr Gesicht und schaute es voller Bewunderung an. Wie konnte ein Mensch nur so wunderschön sein? Ich streichelte über ihr Haar. Nicht denken, Friedemann, einfach treiben lassen, sagte ich zu mir. Aus den Boxen der Anlage kam gerade »All I Want«. »Tonight I’m losing control«, sang Robert Smith, als ich liebestrunken ihre Bluse aufknöpfte. Auf diesen Augenblick hatte ich ewig gewartet.Wir saßen verschlafen in ihrer Küche und frühstückten. Während ich eine Toastbrotscheibe nach der anderen verdrückte, fiel mein Blick auf ein Foto, das eingerahmt auf dem Fensterbrett stand. Es zeigte Anke in die Kamera grinsend, eng umschlungen mit einem Typen, der genau wie sie blond war und ein T-Shirt von The Mission trug. Ich ahnte, in welchem Verhältnis sie zueinander standen. »Das ist aber nicht Robert Schmidt«, sagte ich zu ihr, und sie schüttelte den Kopf.
    »Nee, eher nicht. Noch Kaffee?« Ihre Stimme klang plötzlich etwas schroff.
    »Ja, gerne. Also, wer ist das nun?«, hakte ich nach.
    »Tja, das ist sozusagen meine Zukunft.« Sie zögerte kurz und fuhr dann fort: »Er möchte gerne, dass wir zusammenziehen und sich mit mir verloben.« Anke erzählte das ziemlich nüchtern und schaute mir dabei in die Augen, offenbar, um sofort meine Reaktion auf diese Nachricht zu prüfen.
    »Jetzt schon?«, war meine spontane Antwort. Aber wieso sagte ich das? Ich war doch nicht so naiv, dass ich dachte, nach der letzten Nacht wären wir nun ein Paar. Und ich hatte mir auch kaum vorstellen können, dass sie solo war. Trotzdem wurde mir schlagartig klar, dass ich hier nicht auf dem Traumzauberbaum saß, sondern in der Realität. In der beschissenen Realität. »Wann ist es denn soweit?« fragte ich bemüht resigniert.
    »Du denkst also, dass ich Ja gesagt habe?« Anke hatte wohl gehofft, dass sie mich mit dieser Sache aus der Reserve locken konnte, aber nun war sie es, die sich angepisst fühlte.
    »Ach, deshalb die Umzugskisten hier?« Jetzt wurde alles klar. »Du ziehst wirklich mit diesem Typen zusammen?«
    »Michael. Er heißt Michael.«
    »Verstehe ich das hier richtig?«, platzte es aus mir heraus. »Du wolltest noch mal ordentlich vögeln, bevor du mit dem da zusammenziehst und dachtest dir, dass der naive Typ aus Leipzig, der damals bis über beide Ohren in dich verknallt war, der nur wegen dir in die beschissene Zone zurück ist, dafür bestimmt zu haben wäre.« Scheiße, jetzt hatte ich mich verquatscht. Meine Coolness war mir irgendwo auf dem Fußboden der Küche verloren gegangen. Ich suchte nicht weiter danach, stand auf und ging in den Flur.
    »Denkst du wirklich, dass alles so einfach ist?«, rief sie mir hinterher.
    Ich zog meine Jacke und meine Schuhe an. Die Uhr zeigte fast Elf. Ich hatte meinen Eltern versprochen, heute Abend zur Geburtstagsfeier meines Vaters in Leipzig zu sein und noch gut sieben Stunden Autofahrt vor mir. »Sorry, Anke, ich würde ja gerne noch weiter mit dir deine Lebenskrise ausdiskutieren, aber ich habe noch eine Verabredung in Leipzig.« Ich stand im Türrahmen und schaute sie an. Mein Gott, war sie schön. Dann fügte ich etwas ruhiger hinzu: »Irgendwie haben wir ein verdammt schlechtes Timing.«
    Anke erhob sich und kam auf mich zu. Ihr Gesicht verriet, dass ihr meine Reaktion nicht egal

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