Das wird mein Jahr
ruft schon ständig an.«
Eine halbe Stunde später kam sein Okay, und ich packte. Natürlich wollte ich nicht zu meinen Eltern fahren. Aber ich musste dringend raus aus Stuttgart, weg von neugierigen Drogenbullen und weg von meinem Anrufbeantworter, der keine Nachricht von Anke aufgezeichnet hatte.
Mein Reiseziel hieß Elisabeth. Ich zweifelte, ob das wirklich eine gute Idee war, aber möglicherweise konnte ich dort ein paar Tage ausspannen und mich ablenken.
Populonia lag an einer kleinen Bucht an der toskanischen Küste, umgeben von Pinienwäldern. Ich parkte den Bus am Hafen und ging zu Fuß weiter. Im seichten Wasser ankerten unzählige kleine Motor- und Segelboote. Weiter vorn badeten Kinder. Der Ort selber bestand nur aus wenigen kleineren Häusern aber Hinweisschilder informierten, dass sich gleich in der Nähe auf einem Berg eine frühere etruskische Siedlung befand, deren Ruinen man besichtigen konnte. Die Sonne schien, als wäre noch lange keinHerbst in Sicht. Es roch nach Meer, Lavendel und Thymian. Der Weg, den ich entlangschlenderte, führte ein kleines Stück bergauf, vorbei an Olivenbäumen. Bislang kannte ich die nur als Kübelpflanzen. Von überall hörte man Grillen zirpen, noch lauter als am Balaton, damals vor einem Jahr. War das wirklich erst ein Jahr her? Mir kam es vor wie zwei.
Ich folgte einer mannshohen Natursteinmauer und stand schließlich vor einem großen Holztor an dem in eingefrästen Buchstaben »Villa Elisabeth« stand. Dahinter sah man ein ockergelb angestrichenes zweistöckiges Haus mit schon etwas verblichenen grünen Fensterläden. Ich drückte auf die Klingel. Gleich darauf hörte ich jemanden über einen Kiesweg laufen, und dann öffnete sich das Holztor.
»Oh, die Gärtnerei Merk arbeitet auch im Ausland?« Herr Albrecht stand vor mir in Anzug und weißem Hemd und machte eine Handbewegung, die mich nüchtern aufforderte das Grundstück zu betreten. »Elisabeth! Dein Gärtner aus Stuttgart«, rief er mit unüberhörbar ironischem Unterton zur offenen Haustür.
Auf dem Hof parkte sein schwarzer Audi neben ihrem weißen Saab. Ich versuchte gerade mal wieder im Boden zu versinken, mich unsichtbar zu machen, mich wegbeamen zu lassen. Scotty! Ich war fast tausend Kilometer gefahren, um Elisabeth in der Einsamkeit zu besuchen, und ihr Mann war schon vor mir da. Toll gemacht!
»Friedemann – was für eine Überraschung!« Elisabeth kam aus dem Haus und umarmte mich zur Begrüßung.
»Komme ich ungelegen? Ich bin auf der Durchreise und wollte nur mal kurz Hallo sagen«, log ich.
»Nein, das ist ganz wunderbar. Komm.« Wir gingen um das Haus herum zu einer Terrasse. Zu dritt.
»Mein Gott, ist das eine schöne Aussicht.« Ich blieb stehen und ließ meinen Blick schweifen. Von hier aus konnte man das stahlblaue Meer sehen, auf dem weiße Boote fuhren. Richtung Westen färbte sich der Himmel schon langsam orange. Zu meinen Füßen breitete sich eine kleine Olivenbaumplantage aus. Andi und ich hatten letztes Jahr den Balaton für was ganz Großartiges gehalten, doch es war nichts gegen das hier. Der Ungarnurlaub war ein alter klappriger Trabant und das hier zweifellos die Mercedes S-Klasse.
»Ich mach uns mal einen Espresso.« Elisabeth verschwand im Haus, und ich stand mit Herrn Albrecht allein auf der Terrasse. Eben noch hatte ich ihn beinahe vergessen.
»Na, wo soll’s denn hingehen?«, fragte er mich.
»Hingehen? Ach so, mein Reiseziel. Ja, eben so weiter südlich.« Ich zeigte in eine Richtung von der ich annahm, dass dort Süden sei. »Hab mich noch nicht genau festgelegt.« Wo Elisabeth bloß blieb?
»Und wie läuft es in Stuttgart?«, fragte er weiter.
»Alles bestens.« Ich quälte mir ein Lächeln heraus. Konnte er nicht einfach die Fresse halten und sich verpissen?
»Vergessen Sie nicht, Herr … Herr …«
»Blumenstrauß.«
»Genau. Herr Blumenstrauß. Heißen Sie wirklich so? Sie haben noch was gut bei mir.« Herr Albrecht hatte sich an einen Tisch gesetzt und blätterte Unterlagen durch.
Ich setzte mich ihm gegenüber. Genau, er war mir noch was schuldig. »Nur mal hypothetisch«, sprach ich ihn nach einigem Zögern an, »die Polizei sucht in Stuttgart einen Gärtner, der Cannabis angebaut haben soll.«
»Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz«, fiel er mir ins Wort. »Um welche Menge geht es?« Er hatte seine Brille abgenommen und schaute mich interessiert an.
»Na ja, so im Kilobereich.«
»Verstehe. Das geht eindeutig über den Eigenbedarf
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