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Das Wirken der Unendlichkeit

Das Wirken der Unendlichkeit

Titel: Das Wirken der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Ungewöhnliches widerfahren, aber ich hatte es im Kontext meiner Bemühungen erlebt, mich ins rechte Licht zu rücken. Ich wollte Don Juan beeindrucken. Und bei diesem Versuch richtete ich meine ganze Aufmerksamkeit darauf, sozusagen mein Angebot so verlockend wie möglich zu machen. Erst Monate später zeigte sich ein eigenartiger Rest vergessener Ereignisse.
    Eines Tages erinnerte ich mich, ohne mich darum bemüht und ohne irgendwie nachgeholfen zu haben, mit außergewöhnlicher Klarheit an etwas, das mir während der Begegnung mit Don Juan völlig entgangen war. Als er mich daran hinderte, ihm meinen Namen zu nennen, hatte er mir in die Augen gesehen und mich mit seinem Blick zum Verstummen gebracht. Es gab damals noch unendlich viel, was ich ihm hätte über mich sagen können. Ich hätte ihm stundenlang mein Wissen und meine Qualitäten darlegen können, wenn mich sein Blick nicht abrupt unterbrochen hätte.
    Angesichts dieser neuen Erkenntnis überdachte ich alles, was mir bei der Begegnung widerfahren war. Ich kam zu der unumstößlichen Schlussfolgerung, daß ich erlebt hatte, wie ein geheimnisvoller Fluß, der mich in Gang hielt, plötzlich angehalten worden war. Dieser Fluß war noch nie unterbrochen worden, zumindest nicht auf die Art, wie es Don Juan getan hatte. Wenn ich meinen Freunden beschreiben wollte, was ich in diesem Augenblick körperlich erlebt hatte, war seltsamerweise mein ganzer Körper plötzlich schweißbedeckt. Das hatte ich auch erlebt, als Don Juan mich ansah. Ich war in diesem Augenblick unfähig gewesen, auch nur ein Wort hervorzubringen oder einen einzigen Gedanken zu fassen.
    Das körperliche Erlebnis dieser Unterbrechung, für die ich keine rationale Erklärung fand, beschäftigte mich noch einige Zeit danach. Zunächst wollte ich mir einreden, Don Juan habe mich hypnotisiert, aber dann sagte mir meine Erinnerung, daß er mir keine hypnotischen Befehle gegeben oder mit Bewegungen meine Aufmerksamkeit gefesselt hatte. Er hatte mich nur angesehen. Die Intensität des Blicks führte zu dem Eindruck, er habe mich lange angesehen. Auf einer tiefen körperlichen Ebene ließ mich dieser Blick nicht mehr los und verwirrte mich. Als Don Juan schließlich wieder vor mir stand, fiel mir als erstes auf, daß er ganz anders aussah, als ich ihn mir vorgestellt hatte, während ich auf der Suche nach ihm war. Ich hatte mir ein Phantasiebild von dem Mann am Busbahnhof gemacht, das ich Tag für Tag weiter vervollständigte, da ich mich vorgeblich an immer weitere Einzelheiten erinnerte. In meiner Vorstellung war er alt, trotzdem noch sehr stark und gewandt, jedoch beinahe zerbrechlich. Der Mann vor mir war muskulös und kraftvoll. Er bewegte sich gewandt, allerdings nicht flink. Seine Schritte waren sicher und gleichzeitig leicht. Er wirkte vital und entschlossen. Mein aus vielen einzelnen Teilen zusammengesetztes Bild von ihm stimmte keineswegs mit der Wirklichkeit überein. Ich dachte, er hätte kurze weiße Haare und eine sehr dunkle Haut. Er hatte längere Haare, und sie waren nicht so weiß, wie ich mich zu erinnern glaubte. Auch die Haut war nicht so dunkel. Ich hätte schwören können, daß er auf Grund seines Alters ein vogelähnliches Gesicht hatte. Auch das stimmte nicht. Sein Gesicht war voll, beinahe rund. Das Auffälligste an dem Mann vor mir waren seine dunklen Augen, von denen ein eigenartiges, pulsierendes Leuchten ausging.
    Bei meiner ersten Einschätzung von ihm war mir völlig entgangen, daß er ganz und gar wie ein Sportler wirkte. Er hatte breite Schultern, einen flachen Bauch und schien mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu stehen. Er hatte keine schwachen Knie, keine zitternden Arme. Ich hatte mir in der Tat eingebildet, ein leichtes Zittern von Kopf und Armen bemerkt zu haben, als sei er nervös oder unsicher. Ich hatte auch geglaubt, e sei etwa ein Meter fünfundsechzig groß, etwa acht Zentimeter kleiner, als er in Wirklichkeit war.
    Don Juan schien nicht überrascht zu sein, mich zu sehen. Ich wollte ihm sagen, wie schwierig es für mich gewesen sei, ihn zu finden. Es hätte mir gefallen, wenn er mich zu meinen titanischen Bemühungen beglückwünscht hätte, aber er lachte nur spöttisch.
    »Deine Bemühungen sind nicht von Bedeutung«, sagte er. »Wichtig ist, daß du mein Haus gefunden hast. Setz dich, setz dich.« Er deutete einladend auf eine der Holzkisten unter seinem Vordach und klopfte mir auf den Rücken. Es war kein freundschaftliches Klopfen. Es fühlte sich

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