Das Wirken der Unendlichkeit
schwarzen Lackschuhe. Es faszinierte mich, daß die Schuhe nicht knarrten, während er im Zimmer hin und her ging. Dagegen war ich gewöhnt, daß das laute Geräusch der Schuhsohlen schon von weitem das Kommen meines Großvaters verriet.
»Mein Enkel spielt sehr gut Billard«, bemerkte mein Großvater beinahe nebenbei zu Falelo Quiroga. »Was meinst du, soll ich ihm mein Queue geben und ihn mit dir spielen lassen? Ich sehe euch zu.« »Der Junge spielt Billard?« fragte der große Mann meinen Großvater lachend.
»O ja«, versicherte mein Großvater. »Natürlich nicht so gut wie du, Falelo. Warum versuchst du nicht eine Partie gegen ihn? Damit es für dich interessant ist und du meinem Enkel nicht nur einen Gefallen erweist, wollen wir ein wenig Geld einsetzen. Was meinst du zu... soviel?«
Er legte ein dickes Bündel zerknitterter Geldscheine auf den Tisch, sah Falelo Quiroga lächelnd an und nickte leicht mit dem Kopf, als fordere er den großen Mann auf, die Wette anzunehmen.
»Meine Güte, so viel?« sagte Falelo Quiroga und sah mich fragend an. Er öffnete seine Brieftasche und nahm ein paar ordentlich gefaltete Scheine heraus. Das war noch etwas Überraschendes für mich. Mein Großvater hatte die Gewohnheit, sein Geld zusammengeknüllt in den Taschen bei sich zu tragen. Wenn er etwas bezahlen wollte, musste er die Scheine glattstreichen, um sie zu zählen.
Falelo Quiroga sagte es nicht, doch ich wusste, er kam sich wie ein Straßenräuber vor. Er lächelte meinem Großvater zu und legte, weil er ihn offensichtlich respektierte, die Geldscheine auf den Tisch. Mein Großvater fungierte als Schiedsrichter. Er bestimmte, wie viele Karambolen das Spiel haben sollte, und warf eine Münze in die Luft, um zu sehen, wer beginnen würde. Falelo Quiroga gewann.
»Du solltest dein Bestes geben und dich nicht zurückhalten«, drängte ihn mein Großvater. »Hab keine Skrupel, den kleinen Dummkopf zu schlagen und mein Geld zu gewinnen!«
Falelo Quiroga beherzigte den Rat meines Großvaters und spielte, so gut er konnte.
Aber einmal gelang ihm eine Karambole um Haaresbreite nicht. Ich nahm den Billardstock und glaubte, ich würde ohnmächtig werden. Doch die Fröhlichkeit meines Großvaters - er hüpfte vor Freude auf und ab - beruhigte mich. Außerdem ärgerte ich mich darüber, daß Falelo Quiroga vor Lachen beinahe zu platzen schien, als er sah, wie ich das Queue hielt. Wegen meiner geringen Größe konnte ich mich nicht über den Tisch beugen, wie Billardspieler es normalerweise tun. Doch mein Großvater hatte mir mit unendlicher Geduld und Entschlossenheit eine andere Art zu spielen beigebracht. Ich streckte den Arm nach hinten und hielt das Queue beinahe über Schulterhöhe neben dem Körper.
»Was macht er, wenn er die Mitte des Tischs erreichen muss?« fragte Falelo Quiroga lachend. »Er hängt sich über die Tischkante«, erwiderte mein Großvater sachlich. »Das ist erlaubt, wie du weißt.« Mein Großvater kam zu mir und flüsterte zwischen den Zähnen, er werde alle Billardstöcke auf meinem Kopf /erbrechen, wenn ich versuchen sollte, höflich zu sein, und verlieren würde. Ich wusste, er meinte das nicht als Drohung. Es war nur seine Art, das Vertrauen auszudrücken, das er in mich setzte. Ich gewann mühelos. Mein Großvater war unbeschreiblieh glücklich, aber Falelo Quiroga seltsamerweise ebenfalls. Er ging lachend um den Tisch und schlug immer wieder fest auf den Rand. Mein Großvater lobte mich in den höchsten Tönen. Er verriet Quiroga meine besten Leistungen und sagte im Spaß, ich sei nur so gut geworden, weil er einen Weg gefunden hatte, mich zum Üben zu verleiten - mit Kaffee und Blätterteiggebäck. »Was du nicht sagst, was du nicht sagst!« wiederholte Quiroga immer wieder. Er verabschiedete sich. Mein Großvater griff nach dem gewonnenen Geld, und die Sache war vergessen.
Mein Großvater versprach, mit mir in ein Restaurant zu gehen und mir das beste Essen der Stadt zu bezahlen. Aber er tat es nie. Er war sehr knausrig. Er war dafür bekannt, daß er nur bei Frauen großzügig Geld ausgab. Zwei Tage später kamen zwei große dicke Männer aus dem Kreis um Falelo Quiroga zu mir, als ich gerade die Schule verließ.
»Falelo Quiroga will dich sprechen«, sagte einer der beiden mit gutturaler Stimme. »Du sollst zu ihm kommen. Es gibt auch Kaffee und Blätterteiggebäck.« Wenn er nicht Kaffee und Blätterteiggebäck erwähnt hätte, wäre ich vermutlich vor den beiden davongerannt. Doch
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