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Das Wirken der Unendlichkeit

Das Wirken der Unendlichkeit

Titel: Das Wirken der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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werde. Das weißt du. Also, wenn du tust, was ich dir jetzt sage, wirst du so viel Geld verdienen, daß du in deinem ganzen Leben keinen einzigen Tag mehr arbeiten musst. Ich will, daß du das nächste Spiel um eine Karambole verlierst. Ich weiß, das kannst du tun. Aber ich will, daß du sie nur um Haaresbreite verfehlst. Je dramatischer desto besser.«
    Ich war sprachlos. Ich verstand nichts von all dem. Falelo Quiroga wiederholte seine Aufforderung und erklärte, er werde anonym alles, was er besaß, gegen mich wetten, das sei unsere neue Abmachung.
    »Guillermo hat dich monatelang beschützt«, sagte er. »Ich brauche nicht mehr zu sagen, als daß er seine ganze Krall aufwendet, um dich zu beschützen. Aber mit gleicher Kraft könnte er auch das Gegenteil tun.«
    Falelo Quirogas Drohung hätte nicht deutlicher sein können. Er musste in meinem Gesicht mein Erschrecken gesehen haben, denn er wurde locker und lachte. »Ach, mach dir um solche Dinge keine Sorgen«, sagte er beruhigend, »denn wir sind Brüder.« Zum ersten Mal im Leben war ich mit einer unhaltbaren Lage konfrontiert worden. Ich wollte nichts anderes, als vor Falelo Quiroga und vor der Angst davonlaufen, die er in mir geweckt hatte. Aber gleichzeitig und das ebenfalls mit ganzer Kraft wollte ich bleiben. Ich wollte auf das schöne Gefühl nicht verzichten, in jedem beliebigen Geschäft alles kaufen zu können, was ich mir wünschte, und vor allem nicht auf das schöne Gefühl, in jedem Restaurant meiner Wahl essen zu können, ohne zu bezahlen. Doch ich wurde nie gezwungen, mich für das eine oder das andere zu entscheiden.
    Mein Großvater zog zu meiner Überraschung in eine andere, weit entfernte Gegend um. Er schien zu wissen, was vorging, und schickte mich vor allen anderen dorthin. Ich bezweifle, daß er etwas von den Ereignissen wusste. Es schien eine seiner üblichen intuitiven Reaktionen zu sein, daß er mich vorausschickte.
    Don Juans Rückkehr riß mich aus meinen Erinnerungen. Ich hatte nicht gemerkt, wie die Zeit verging. Ich hätte ausgehungert sein müssen, aber ich hatte überhaupt keinen Hunger. Ich war unruhig und nervös. Don Juan entzündete eine Petroleumlampe und hängte sie an einen Nagel in der Wand. Ihr trübes Licht warf seltsame tanzende Schatten in das Zimmer. Meine Augen brauchten einen Moment, um sich an das Halbdunkel zu gewöhnen. Ich befand mich in einem Zustand tiefster Traurigkeit. Es war ein eigenartig losgelöstes Gefühl, ein schmerzliches Sehnen, das von dem Halbdunkel zu kommen schien, vielleicht auch von dem Gefühl, in der Falle zu sitzen. Ich war so müde, daß ich gehen wollte, und gleichzeitig wollte ich eben sosehr bleiben."
    Don Juans Stimme gab mir ein gewisses Maß an Kontrolle zurück. Er schien den Grund für meinen inneren Aufruhr und sein ganzes Ausmaß zu kennen. Er paßte seine Stimme der Situation an. Ihre Strenge half mir, Kontrolle über etwas zu gewinnen, das sich schnell in eine hysterische Reaktion auf meine Erschöpfung und die mentale Stimulation hätte verwandeln können. »Ereignisse wiederzuerfahren, ist für Zauberer Magie«, sagte er. »Es geht dabei nicht nur um das Wiedererzählen von Geschichten. Es kommt auf das Sehen der Struktur hinter den Ereignissen an. Deshalb ist das Wiedererfahren so wichtig und öffnet ein so unermeßliches Feld.«
    Don Juan forderte mich auf, ihm den Vorfall zu erzählen, nn den ich mich erinnert hatte.
    »Wie passend«, sagte er und lachte leise und vergnügt. »Dazu kann ich nur sagen, ein Krieger-Wanderer ist beweglich. Er geht dahin, wohin der Impuls ihn führt. Die Macht des Krieger-Wanderers beruht darauf, daß er wachsam ist und daß er die größtmögliche Wirkung aus einem winzigen Impuls zieht. Vor allem liegt seine Macht darin, daß er nicht eingreift. Ereignisse haben eine Kraft, ihre eigene Schwerkraft, und ein Wanderer ist nur ein Wunderer. Alles um ihn herum ist nur für seine Augen bestimmt. Auf diese Weise deutet der Wanderer den Sinn jeder Situation, ohne je zu fragen, wie es so oder so dazu gekommen ist.
    Heute hast du dich an ein Ereignis erinnert, das dein ganzes Leben auf den Punkt bringt«, fuhr er fort. »Du stehst noch immer vor einer Situation, die die gleiche geblieben ist und die du nie aufgelöst hast. Du musstest nie wirklich entscheiden, ob du Falelo Quirogas krummes Spiel annimmst oder ablehnst.
    Die Unendlichkeit bringt uns jedoch immer in die schreckliche Lage, eine Entscheidung treffen zu müssen. Wir wollen die

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