Das Wirken der Unendlichkeit
ein magischer Akt, bei dem ich mich voll den Kräften des Unendlichen öffne. Eines Abends saß ich am Schreibtisch und bereitete mich auf das tägliche Schreiben vor. Ich hatte einen Augenblick der Schwäche. Mir war schwindlig, und ich glaubte, es läge daran, daß ich zu schnell von der Matte aufgestanden war, auf der ich meine Übungen gemacht hatte. Mir verschwamm alles vor den Augen. Ich sah gelbe Punkte. Ich glaubte, ohnmächtig zu werden. Es wurde schlimmer. Ich sah einen großen roten Punkt vor mir. Ich begann, tief durchzuatmen, und versuchte, mich zu beruhigen, damit sich die Erregung legen würde, die diese Sehstörung hervorrief. Ich wurde ungewöhnlich still, bis zu dem Punkt, an dem ich feststellte, daß mich undurchdringliche Dunkelheit umgab. Mir ging der Gedanke durch den Kopf, ich sei ohnmächtig geworden. Doch ich spürte den Stuhl, den Schreibtisch. Ich spürte in der Dunkelheit, die mich umgab, alles Vertraute in meiner Nähe.
Don Juan hatte mir erklärt, die Zauberer seiner Tradition schätzen an der inneren Stille am meisten ein bestimmtes Zusammenspiel der Energie, das immer von einem starken Gefühl angekündigt wird. Er war der Ansicht, meine Erinnerungen seien das Mittel, um mich innerlich so extrem zu erregen, daß ich dieses Zusammenspiel erleben würde. Ein solches Zusammenspiel, sagte er, manifestiere sich in Farben, die an jeden beliebigen Horizont der Alltagswelt projiziert würden, sei es auf einen Berg, an den Himmel, auf eine Mauer oder einfach auf die Handfläche. Don Juan hatte erklärt, daß das Zusammenspiel der Farben mit dem Auftauchen eines zarten lavendelblauen Pinselstrichs am Horizont beginne. Allmählich vergrößere sich der Pinselstrich, bis er den gesamten sichtbaren Horizont wie aufziehende Sturmwolken bedecke. Er sagte, dann tauche ein Punkt von einem eigenartig satten Granatapfelrot auf, der aus den lavendelblauen Wolken hervorzubrechen scheine. Mit zunehmender Disziplin und Erfahrung des Zauberers vergrößere sich der granatapfelrote Punkt und berste schließlich in Gedanken oder Visionen oder bei einem Literaten in geschriebene Worte. Zauberer hätten entweder Visionen, hörten gesprochene Gedanken oder würden geschriebene Worte lesen. Das alles sei ein von Energie hervorgerufenes Phänomen.
An jenem Abend am Schreibtisch sah ich keine lavendelblauen Pinselstriche und keine aufziehenden Wolken. Ich war sicher, nicht die Disziplin zu haben, die Zauberer für ein solches Zusammenspiel der Energie aufbringen müssen. Aber vor mir sah ich einen riesigen granatapfelroten Punkt. Der Punkt barst ohne jede Ankündigung und wurde zu zusammenhanglosen Worten, die ich wahrnahm, als stünden sie auf einem Blatt Papier, das aus der Schreibmaschine kam. Die Worte bewegten sich mit ungeheurer Geschwindigkeit vor mir, so daß ich nichts davon lesen konnte. Dann hörte ich eine Stimme, die etwas beschrieb. Die Stimme war zu schnell für meine Ohren. Die Worte klangen entstellt, und es war mir unmöglich, etwas zu hören, was einen Sinn ergab. Als sei das nicht genug, begann ich Szenen zu sehen, wie man sie in Träumen nach einer schweren Mahlzeit sieht und die einen irgendwie verdrießlich machen. Die Bilder waren überladen, dunkel und ominös. Ich begann, mich schnell zu drehen, bis mir speiübel wurde. An diesem Punkt endete das ganze Erlebnis. Ich spürte die Wirkung dessen, was mir widerfahren war, in jedem Muskel meines Körpers. Das gewaltsame Eingreifen hatte mich wütend gemacht und frustriert. «l Ich beeilte mich, zu Don Juan zu kommen, um ihm das Erlebnis zu berichten. Ich spürte, daß ich seine Hilfe mehr denn je brauchte.
»An Zauberern oder an der Zauberei ist nichts sanft«, erklärte er, nachdem er sich meine Geschichte angehört hatte. Es war das erste Mal, daß die Unendlichkeit auf diese Weise über dich hergefallen ist. Es war wie ein Blitzangriff. Es war eine völlige Übernahme deiner Sinne. Was die Geschwindigkeit deiner Visionen angeht, so wirst du lernen müssen, sie unter Kontrolle zu bringen. Für manche Zauberer ist das eine Lebensaufgabe. Aber von jetzt an wird sich dir Energie zeigen, als werde sie auf eine Filmleinwand projiziert. Ob du die Projektion verstehst oder nicht«, fuhr er fort, »das ist eine andere Sache. Um eine genaue Interpretation vornehmen zu können, brauchst du Erfahrung. Ich empfehle dir, keine Scheu zu haben und gleich anzufangen. Lies die Energie an der Wand! Dein wahres Bewusstsein kommt zum Vorschein, und es hat
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