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Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)

Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)

Titel: Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Frei
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1895 nach Afrika aufgebrochen war. Sie war erschreckend dünn, die Wangenknochen dominierten ihr schmales Gesicht. Der ehemals blonde, gepflegte Zopf war einer wirren Mähne gewichen. Doch am meisten erschreckten ihn ihre grauen Augen, deren Blicke durch den Raum irrlichterten.
    Sie hatten zu viel gesehen …
    »Mary? Sie sind es wirklich?« Seine Stimme zitterte leicht, und er erhob sich, fasste sie an den Schultern. Mit grenzenloser Erleichterung drückte er sie an sich. Durch das Kleid und die dünne Jacke spürte er jeden einzelnen Knochen. »Mary«, flüsterte er leise und konnte es kaum fassen. »Verzeihung«, murmelte er dann und ließ sie los.
    »Ich freue mich auch, Euch zu sehen, Mylord«, gab sie jetzt leise lächelnd zurück. Sie machte eine auffordernde Geste zur Tür. »Darf ich Euch Sayid vorstellen? Er begleitet mich schon seit einiger Zeit.«
    Der junge Kamelführer trat schüchtern näher, deutete eine Verbeugung an, sagte jedoch nichts.
    Zehn Minuten später saßen beide Besucher in großen Sesseln, hatten eine Tasse Tee vor sich und bissen gierig von den Sandwichs ab, die ihnen der Butler noch schnell zubereitet hatte.
    Covington erholte sich nur langsam von seiner Überraschung. »Wie ist das möglich, meine Liebe? Wir haben Sie suchen lassen, wochenlang, ja monatelang, ohne Erfolg. Wir dachten, Sie seien tot.«
    »Ich wollte nicht gefunden werden«, gab Mary zurück. »Doch die Dinge ändern sich. Was ich erfahren habe, wird Euch hoffentlich etwas wert sein.«
    »Was meinen Sie damit?«
    Mary Kingsley zog ihren Zopf nach vorn, eine vertraute Geste, die Covington schlucken ließ. Sie mochte schmutzig und abgerissen sein, aber ihre Entschlossenheit hatte auch Afrika nicht brechen können.
    »Wisst Ihr noch?«, fragte sie leise. »Ihr habt damals gesagt, Ihr würdet mir die Herkunft dieses geheimnisvollen Briefes erläutern. Ihr habt gesagt, man müsse sich diese Geschichte verdienen. Nun, ich glaube, ich habe sie mir redlich verdient, Mylord. Ich schlage Euch einen Handel vor: Ich erzähle Euch, was ich herausgefunden habe. Ihr erzählt mir dafür Eure Geschichte – und dann werde ich endgültig verschwinden. Ach ja: und Ihr werdet mir dabei helfen.«
    Covington starrte die junge Frau an wie einen Geist. »Wie stellen Sie sich das vor, Mary? Sie sind hier, nichts anderes zählt. Sie werden nirgendwohin gehen.«
    »O doch«, sagte Mary fest. »Aber bevor es so weit ist«, sie kaute genüsslich an einem Sandwich, »werden wir uns unterhalten. Ihr habt mich damals losgeschickt, und ich wette, Ihr hattet keine Ahnung, was mich erwarten würde.«
    Der alte Mann antwortete nicht. Es entstand eine Pause, in der er die junge Frau eingehend musterte. »In Ordnung«, sagte er nach einer Weile. »Sie zuerst.«
    Marys Bericht dauerte lange. Sie ließ nichts aus, weder das gruselige Erlebnis auf der Überfahrt noch die Wanderung mit Sinya, in der sie nur ihrem Instinkt gefolgt war. Sie erlebte die sengende Hitze noch einmal, den Durst, der sie gequält hatte, die Angst, in die Irre zu laufen und ein Phantom zu jagen.
    »Sie brachte mich in die Steinwüste, dort, wo die Berge so aneinandergrenzen, dass man aus der Ferne meint, eine Schale zu sehen. In dieser Einöde versteckt sich der Weiße Zirkel.«
    »Es gibt ihn also wirklich?«, unterbrach Covington, der bis jetzt schweigend zugehört hatte und sich nur von Zeit zu Zeit aus der Sherryflasche nachschenkte.
    Mary nickte. »Es gibt die Schattenwelt, es gibt den Zirkel, und dieser wiederum wartet auf die Hüterin des Tores. Schon so lange …«
    Die Forscherin machte eine gedankenvolle Pause. »Neela und die anderen wussten, dass ich unterwegs war. Sie sagten mir, ich sei das Bindeglied zwischen ihrer Welt und der neuen. Ihre Aufgabe sei es, ihren Ort, ihr Mysterium, zu wahren. Meine Aufgabe – besser gesagt, unsere, Mylord – wird es sein, die Hüterin zu schützen, ihr zu helfen, wenn sie auftaucht. Es war kein Zufall, dass Ihr ausgerechnet mich geschickt habt, Mylord. Doch dort sind Kräfte am Werk, die alles übersteigen, wovon wir träumen. Und wir sollten sehr vorsichtig sein mit dem, was wir in Gang setzen.«
    »Welche Rolle spielt Sayid dabei?« Covington klang misstrauisch.
    Sayid hob den Kopf, als sein Name fiel. »Sinya ist meine Cousine, Mylord«, antwortete er in leicht gefärbtem, aber ansonsten perfektem Englisch und registrierte amüsiert das Erstaunen seines Gegenübers.
    Mary fuhr mit ihrer Erzählung fort. »Die Frauen brachten mir

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