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Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)

Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)

Titel: Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Frei
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darauf an, was die Botschaft beinhaltet«, gab Lagardère nachdenklich zurück, der zwar der Konversation gefolgt war, aber immer wieder fasziniert aus dem Fenster nach unten sah. Es hatte aufgeklart, durch Wolkenfetzen sah man die Landschaft vorüberziehen. Braune Felder, teils noch schneebedeckt, Wälder, hier und da ein silbrig glänzender Fluss. Dazwischen kleine Städte und Dörfer. Schottland hatte, zumindest von oben, den Eindruck bäuerlicher Idylle durch die Jahrhunderte bewahrt.
    »Mam, spürst du den Jäger wieder?«, fragte Kim unvermittelt.
    Jenna, die gerade die Seiten über Mary Kingsley durchsah, blinzelte überrascht. »Gute Frage.« Sie horchte in sich hinein. »Ich kann es nicht genau sagen. Ich habe das Gefühl, ich spüre ihn, ganz leise, aber er kommt nicht näher. Es ist, als wenn er schlafen würde.«
    »Hoffentlich tut er das«, sagte George trocken.
    »Vielleicht kann er uns durch die Luft nicht folgen?« Kim klang hoffnungsvoll.
    »Er war auch in London, vergiss das nicht. Aber wie gesagt, ich glaube nicht, dass er momentan weiß, wo wir sind. Fragt sich nur, wie lange.«
    Beide Bücher gingen von Hand zu Hand, doch wenn es eine Botschaft darin gab, war sie gut versteckt. Schließlich packte Jenna seufzend beide Bände in ihren Rucksack zurück. »Vielleicht fällt uns später noch etwas auf. Momentan kann ich einfach nichts entdecken.«
    Schweigen senkte sich über die Gruppe, und das Dröhnen der Rotoren erfüllte die Luft. Jeder hing seinen Gedanken nach. Jenna beugte sich nach vorn, stützte den Kopf in die Hände, und vor ihrem inneren Auge formte sich das Bild einer jungen Frau mit blondem langem Haar. Sie war erschreckend mager, das Haar verfilzt, die Kleidung schmutzig und an einigen Stellen zerrissen. Sie sah aus, als sei sie Monate durch die Wildnis gewandert.
    Cambridge, Sommer 1898
    Ein heißer Julitag neigte sich dem Ende zu. Der rosa Abendhimmel verfärbte sich violett, ein paar Schleierwolken zogen träge vorbei, und wenn man genau hinsah, konnte man im Osten den Abendstern blinken sehen. In den eleganten Anwesen in Cambridge gingen die Lichter an, und es kehrte langsam Ruhe ein. Überall genoss man die Kühle, die der Abendwind mit sich brachte, stand auf der Terrasse, ein Glas Port in der Hand oder öffnete zumindest die Fenster, um die stickige Luft des Tages hin auszulassen. In den Büschen begannen die Grillen zu zirpen.
    Das eiserne Tor schwang mit leisem Quietschen auf. Zwei Gestalten huschten hindurch und liefen den geharkten Kiesweg entlang zum Haupteingang. Dann änderten sie abrupt ihre Richtung, schlichen um das Haus herum und spähten vorsichtig durch eines der großen Fenster im Erdgeschoss. Die Terrassentüren waren weit geöffnet, die ersten Mücken sirrten hinein und wieder heraus.
    Die Bibliothek des Hauses war nur spärlich erhellt, zwei Kerzenleuchter spendeten ein fahles Licht. Lord Covington war es gleich. Er las ohnehin nicht. Mit einem Glas Sherry saß er gedankenverloren in einem Sessel, hin und wieder fuhr er sich mit der Hand über die Augen. War es falsch von ihm gewesen, sie loszuschicken? Drei Jahre war das nun her. Drei Jahre, in denen er sich jeden Abend fragte, ob das, was er tat, nicht umsonst war. Ob er nicht einfach aufgeben, um Mary Kingsley trauern und sein Leben weiterleben sollte, als hätte er nie von der Schattenwelt erfahren.
    Die Schatten wurden blauer, die Nacht brach herein, und das Konzert der Frösche im nahe gelegenen Teich tönte über den makellos geschnittenen Rasen.
    »Brauchen Sie noch etwas, Mylord?«
    Der alte Mann schüttelte müde den Kopf und wies den Butler an, zu Bett zu gehen. Er hasste Abende wie diesen, wenn seine Gedanken sich wie ein ewiges Karussell im Kreise drehten und er nicht mehr wusste, was richtig oder falsch war.
    Die Hitze, die dieses Jahr über England lag, machte alles nur noch schlimmer. Sie erinnerte ihn an schwüle Abende in den Tropen, versetzte ihn an jenen Ort, wo er in seinen Träumen lebte und den er doch nie erreichen würde.
    Er war so in Gedanken versunken, dass er sie erst bemerkte, als sie direkt vor ihm stand.
    »Guten Abend, Mylord«, sagte sie förmlich.
    Lord George Covington war stolz darauf, dass ihn im Prinzip nichts aus der Fassung brachte. Doch in diesem Moment fiel ihm vor Überraschung das Glas aus der Hand. Es schlug mit einem dumpfen Plock auf den Teppich.
    Mary Kingsley war zurückgekehrt.
    Die Frau, die ihm gegenüberstand, war nicht mehr dieselbe, die am Weihnachtsabend

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