Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)
ging er mit langen Schritten zum Ausgang, ohne sich noch einmal umzusehen.
Wie vom Donner gerührt blieb Jenna stehen und starrte ihm nach. Sie war gleichzeitig wütend, verletzt, beleidigt und, das war das Schlimmste, ihr Herz klopfte immer noch wegen seines letzten raschen Kusses.
»Dann eben nicht«, sagte sie laut, zog ein Zopfband aus der Manteltasche und band sich energisch die Haare zurück. Sie würde sich um das Nächstliegende kümmern. Eine weitere Aus sprache zwischen ihr und George musste warten. Von noch mehr Küssen ganz abgesehen.
Jetzt mussten sie erst einmal nach München zurück.
Die Stimmung in dem Salon im Londoner Stadtteil Notting Hill war mehr als angespannt. Vier Männer saßen an dem gro ßen Konferenztisch und starrten schweigend auf die Szene in 3D, die wie durch Zauberhand über dem Tisch schwebte. Blaulicht. Tote, die auf Bahren in wartende Autos geschoben wurden. Weinende Angehörige vor dem Klinikum. Blut und Chaos.
»Er hat den Verstand verloren«, sagte einer der Männer und klang gegen seinen Willen bewundernd.
»Das war so nicht abgesprochen«, erklärte der Vorsitzende grimmig und schaltete mit einer heftigen Handbewegung den Beamer aus. »Der Jäger folgt einer Prophezeiung. Seine Aufgabe ist es, uns die Frauen zu bringen und nicht unnötig die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen. Damit gefährdet er die gesamte Operation. Ich möchte, dass sein Handy geortet wird. Sobald ich weiß, wo er ist, mache ich ihm die Hölle heiß.«
Die anderen sahen einander zweifelnd an. »Wir können ihm nicht drohen, Sir«, gab einer zu bedenken. »Wir haben nichts in der Hand. Gar nichts. Er wird tun, wofür er zurückgekommen ist, aber zu seinen eigenen Bedingungen, das hat er mit seiner Aktion in der Klinik sehr deutlich kundgetan.«
Der Anführer knirschte wütend mit den Zähnen, aber er gab seinem Gegenüber widerwillig recht.
Sie hatten den Tod sehenden Auges eingeladen.
Für einen Rückzieher war es längst zu spät.
Lagardère ging mit einem abwesenden Lächeln durch die Pass- und Personenkontrolle und bewies eine erstaunliche Selbstbeherrschung, auch wenn er angesichts des Bildschirms, auf dem der Inhalt der Taschen dargestellt wurde, am liebsten selbst auf das Laufband gehüpft wäre. Staunend und mit einem leisen »Mon Dieu« ließ er sich von einem Beamten mit dem Scanner abtasten und wartete mit Spannung, als der Zollbeamte den Pass durchblätterte, ihm einen prüfenden Blick zuwarf und ihn dann durchwinkte.
Nicholas und Jenna atmeten tief durch, als sie die Kontrolle hinter sich hatten.
»Hut ab vor Compton«, sagte Nicholas. »Wenn er etwas in die Wege leitet, dann richtig.«
»Was ist denn da drin?«, fragte Jenna und deutete auf den großen Rollkoffer, den Nicholas hinter sich herzog.
»Eure Sachen. Außerdem habe ich euch aus dem Hotel ausgecheckt.«
Jenna fasste nach seiner Hand. »Danke dir. Ich habe überhaupt nicht mehr daran gedacht.«
»Kein Wunder«, sagte Nicholas ernst, »wenn man bedenkt, was in den letzten Tagen passiert ist. Weißt du, ich habe das Gefühl, wir befinden uns alle im Auge des sprichwörtlichen Hurrikans. Ich schätze, sobald wir wieder zu Hause sind, werden wir den Sturm schon zu spüren bekommen.« Er ließ Kim und Lagardère vorausgehen – die Cessna stand schon startbereit auf dem kleinen Vorfeld –, dann meinte er leichthin: »Du erzählst mir im Flieger, was zwischen dir und George vorgefallen ist, nicht wahr?«
Jenna winkte ab und lief entschlossen weiter. »Nicht viel. Dein Freund George kann ein wahrer Gentleman sein, und jetzt spielt er den geheimnisvollen Agenten mit dunkler Vergangenheit. Aber ehrlich, Nick, ich will darüber jetzt nicht reden, okay? Belassen wir es einfach dabei.« Sich in einem Gefühlswirrwarr zu verstricken war das Letzte, was sie jetzt brauchen konnte. Ich will nach Hause, stellte sie fest. Auch wenn dort eine höllische Aufgabe auf uns wartet. Ich will wieder in meine Wohnung, in meinem Bett schlafen. Sie wollte es sich nicht eingestehen, aber sie hatte auch Sehnsucht nach Alex …
Sie stieg hinter Kim und dem Franzosen in die Cessna ein, ließ sich in ihren Sitz sinken, lauschte der abgehackten englischen Konversation zwischen Pilotin und Tower, kurz darauf waren sie in der Luft. »Zweieinhalb Stunden Flugzeit. Ankunft gegen siebzehn Uhr mitteleuropäische Zeit«, verkündete Nora Miller und ließ die Cessna auf Reiseflughöhe steigen. Jenna tastete in der Hosentasche nach
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