Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)
richtete ab Mittag ein gebrochenes Bein, setzte eine neue Hüfte ein und dachte während der Operationen fast ununterbrochen darüber nach, was mit Jenna wohl los sein mochte. Er hatte das untrügliche Gefühl, dass ihm seine Frau ganz essenzielle Informationen vorenthielt, und das führte dazu, dass er sich nur schwer konzentrieren konnte. Dieser spontane Ausflug nach London, die kurzen, nichtssagenden SMS , die sie ihm schickte. Kim meldete sich überhaupt nicht. Der Unfall ihres Schulkameraden hatte weiter dazu beigetragen, dass sich in Alex Winters eine ganze Menge Fragen angesammelt hatten. Die letzte stellte er sich nach Jennas Nachricht auf seiner Mailbox. Verfolgen? Ihn? Er schnaubte ungeduldig. Es war Zeit, dass die beiden wieder nach Hause kamen. Jetzt warf er die blutige OP -Kleidung aufatmend in den dafür vorgesehenen Behälter, zog sich Jeans und Hemd über, griff nach seinem Handy und sah, dass Jenna ihm erneut eine Nachricht geschickt hatte. Sind wieder gelandet. Sehen uns morgen, ja? Xoxo Jenna.
Ein Seufzer der Erleichterung entfuhr ihm.
Er winkte ein paar Schwestern einen Gruß zu und trat durch den Hauptausgang der Klinik auf die Ismaninger Straße. Es war schon dunkel, die ersten Sterne glitzerten, und ein schneidender Wind pfiff durch die Straßen. Alex zog sich den Schal enger und vergrub die Hände in den Manteltaschen. Da stellte sich ihm jemand in den Weg.
»Guten Abend, Dr. Winters.«
Alex kniff die Augen zusammen. Der junge Mann vor ihm war groß und blond. Doch er hatte einen gehetzten Ausdruck im Gesicht und bewegte sich mit großer Vorsicht, als hätte er Schmerzen.
»Ja, bitte? Wer sind Sie?«
»Matthew Johnson.«
»Moment mal. Sie sind doch der mit dem Unfall …« Er wartete keine Bestätigung ab. »Was tun Sie denn hier? Sie sollten überhaupt noch nicht aus dem Krankenhaus sein. Ehrlich gesagt, Sie sehen schrecklich aus.« Die letzte Bemerkung kam aus vollem Herzen.
Matthew zuckte mit den Schultern. »Ich lebe, das reicht. Jetzt muss ich Sie bitten mitzukommen.« Er wies auf seinen grünen Ford Ka, der am Straßenrand geparkt war.
»Mit Ihnen gehe ich nirgendwohin, es sei denn, in die Not aufnahme«, widersprach Alex, obwohl er gespannt war, was der junge Mann wohl von ihm wollte.
»Oh, ich denke doch. Sie wollen doch nicht, dass Ihrer Tochter etwas geschieht?«
Alex’ Herzschlag beschleunigte sich, und er kniff irritiert die Augen zusammen. »Was soll das heißen? Was haben Sie mit meiner Tochter zu schaffen?«
»Schluss damit«, fuhr eine Stimme dazwischen, und Alex sah den großen, hageren Mann, der gestern noch als Polizist vor seiner Tür gestanden hatte. »Wir sind nicht hier, um zu reden. Diesmal nicht.«
Der Jäger deutete vor Alex eine Verbeugung an und hob die Hand. Die Straßenbeleuchtung erlosch und tauchte alles in ein diffuses Halbdunkel, nur das Licht, das aus den Fenstern drang, erhellte noch die Szenerie.
Alex’ Überlebensinstinkt setzte nach einer Schrecksekunde wieder ein. Nur weg hier! Flucht war seine einzige Chance. Alex schubste Matthew grob beiseite und begann zu rennen, doch er kam nur fünf Schritte weit, da fühlte er einen brennen den Schmerz, das Blut schoss ihm aus der Nase, und er sank auf die Knie, unfähig zu schreien, unfähig zu denken.
»Er wird brennen, wie die anderen«, hörte er noch, bevor er das Bewusstsein verlor und auf dem Asphalt aufschlug.
Jenna wanderte langsam durch ihre Wohnung, schaltete im Vorbeigehen die Lichter ein und spähte in jede Ecke. »Ich will nur sehen, ob sich hier in unserer Abwesenheit Geister eingenistet haben«, sagte sie zu Nicholas und meinte es nur teilweise scherzhaft. Dieser hatte ihr zwar vehement davon abgeraten, nach Hause zu fahren, doch Jenna war stur geblieben. Sie spürte mit jedem Kilometer, den sie sich München näherte, wie sich die Verbindung zu dem Jäger wieder intensivierte, diesmal half auch der Stein, den sie gelegentlich in die Hand nahm, nicht mehr, sie abzuschirmen.
Sie hatten sich nach der Landung in Augsburg von Nora Miller verabschiedet, und waren in den nächsten Zug nach München gestiegen. Nicholas hatte darauf bestanden, sie in die Wohnung zu begleiten. Er hatte es wahrlich nicht eilig, in seine eigenen vier Wände zurückzukehren, die ihm alle nur eines entgegenschreien würden: Anne, Anne, Anne …
»Ich habe in dem kleinen Zimmer hier eine Gästecouch. Antoine, Sie können bei uns schlafen. Und du ebenfalls, Nick, wenn du heute Nacht noch nicht in deine
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