Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)
Mensch mehr, nur noch ein schwarzer lebendiger Schatten, der die Dunkelheit in alle Ewigkeit mit sich trägt, dachte Nicholas hasserfüllt und presste beide Hände gegen das Fensterglas, um das Zittern zu unterdrücken.
Nicht einmal Agent Wright wusste in dieser Situation weiter. Auf so etwas hatte ihn niemand vorbereitet.
Langsam, wie in Zeitlupe, fiel das Wachs von der Kerze …
Jenna fand sich in der großen Halle wieder. Ein paar Fackeln spendeten diffuses Licht, die Fackelhalter warfen flackernde Schatten an die weiß gekalkten Wände. Sie machte ein paar Schritte in die Halle hinein und sah sich forschend um. Neben ihr erschien Kim, die ihre Mutter verblüfft ansah. »Letztes Mal warst du aber nicht hier«, sagte sie und ihre Stimme hallte von den Wänden wider. »Wie geht das denn jetzt?«
»Ich denke, das ist es, was Gwen meinte. Je mehr wir üben, desto leichter wird es«, gab Jenna zurück und nahm Kim bei der Hand.
»Sind wir in der Schattenwelt? Wo ist denn der Nebel? Und wo ist Antoine?« Kaum hatte Kim die Fragen gestellt, stand der Franzose neben ihnen. Er sah sich um, erkannte jedoch zu seiner Erleichterung nichts wieder. Erneut in die Nebel einzutauchen, davor graute es ihm, obwohl er es angeboten hatte. »Sie beide werden stärker«, murmelte er. »Sie haben mich mühelos mitgezogen …«
Jenna ging noch ein paar Schritte weiter und blickte nach oben. Die Decke war nicht zu erkennen, es schien fast so, als wölbte sich der dunkle Nachthimmel über ihnen, und keine Konstruktion von Menschenhand. »Wir versuchen, sie zu rufen. Es sieht ja nicht so aus, als würde es von hier aus irgendwo hingehen – oder seht ihr eine Tür?«
Die beiden anderen schüttelten die Köpfe.
»Also los«, sagte Jenna.
Jenna und Kim streckten Hände aus und schickten ihre Rufe lautlos aus. Eine Zeit lang geschah nichts, dann vernahmen sie ein leises Wispern. Ein kühler Luftzug fuhr durch die Halle und ließ etliche der Fackeln erlöschen. Dennoch war es nicht komplett dunkel. Am Ende der Halle erkannten sie eine Gestalt, umgeben von einem fahlen Lichtschein.
»Sie ist hier«, flüsterte Lagardère staunend, »ich kann sie spüren.«
»Wir auch«, flüsterte Jenna zurück und trat ein paar Schritte auf die Erscheinung zu.
Die neue und die alte Hüterin standen voreinander, sahen sich schweigend an. Die grünen Augen der Hüterin glänzten, Jenna konnte nicht sagen, ob es Tränen waren. Sie flüsterte etwas, und Jenna musste sich anstrengen, um sie zu verstehen. Einen Lidschlag später verzerrte sich ihr Gesicht, sie wurde förmlich zurückgesogen, fort, ans Ende der Halle, und Jenna schmeckte erneut den süßlichen Geschmack der Schatten, von dem sie gehofft hatte, es nie wieder tun zu müssen. »Raus hier«, krächzte sie, doch nichts geschah. Nebel zog auf, flutete durch die Halle, hüllte alles ein, klebte widerlich an ihrer Haut, legte sich über Mund und Nase und ließ sie würgen.
Da spürte sie eine Hand auf ihrem Arm, ein Ruck ging durch sie hindurch, man hörte einen lauten französischen Fluch, und die drei fanden sich in Jennas Küche wieder.
Jenna atmete schwer. »Das war …«
»… gefährlich«, ergänzte Lagardère. »Es sieht so aus, als habe jemand etwas dagegen, dass wir diese Welt betreten.«
»Dass ich und Kim diese Welt betreten«, korrigierte Jenna. Sie ging unsicheren Schrittes zum Spülbecken und ließ sich Wasser in ein Glas laufen. Durstig stürzte sie es hinunter, versuchte, den klebrigen, widerlichen Geschmack von der Zunge zu bekommen
Da summte Kims Handy. Die tippte auf den Bildschirm und stieß einen Schrei aus. Mit drei Schritten war Nicholas bei ihr und riss ihr das Handy aus der Hand. »O verdammt«, sagte er dann und hielt es so, dass Jenna es ebenfalls sehen konnte. Alex. Gefesselt und geknebelt. Jenna hielt sich an der Küchenzeile fest. Das war nicht gut. Sich Alex in den Händen des Jägers vor zustellen, machte Jenna krank.
»Das ist Alex!« Kim rappelte sich von der Bank auf und stieß gegen den Tisch, die Schüssel kippte um, Wasser schwappte über den Tisch und tropfte in einem kleinen Rinnsal auf den Boden. Sie sah Jenna mit schreckgeweiteten Augen an. »Wenn dieser Irre ihn hat … O Scheiße. Mam, was machen wir jetzt?«
Jenna fühlte die wohlbekannte Panik in sich aufsteigen, die sie seit Tagen immer wieder daran hinderte zu denken, zu handeln. Sie klammerte ihre Finger um den Rand der Arbeitsplatte. Nein! Diesmal würde sie ihr nicht nachgeben. Den
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