Das Wispern der Schatten - Roman
finden und befreien. Sprich mit Wandar, Akwar und Sinisar. Ihr gemeinsames Wissen wird die Symbole für dich deuten und dir helfen, Freistatt zu finden, aber beeil dich, Kind des Felsgottes!«
Ein Grollen ertönte, und der Tempel erbebte. Menschen fielen zu Boden und riefen um Hilfe. Draußen ertönten grässliche Schreie, als Kinder und Erwachsene gleichermaßen niedergemetzelt wurden. Der Priester fiel vornüber und schlug sich die Stirn an einem der vier Steine auf. Blut strömte ihm übers Gesicht.
» Was geht hier vor?«, jammerte Freda.
» Sie kommen!« Der Priester verzog das Gesicht, als er seine Macht einsetzte, um damit zu beginnen, die Querplatte vor die Tür des unterirdischen Tempels zu ziehen. » Sie versuchen, vom Geas selbst Besitz zu ergreifen. Du musst dich beeilen, Kind des Felsgottes, denn jetzt jagen sie dich. Du darfst dich nicht von deinem Weg abbringen lassen oder ihnen in die Hände fallen, denn es bleibt nicht viel Zeit. Sie haben dich schon fast!«
Als die Platte die Tür verschloss, begannen das Licht und der Traum zu verblassen.
» Warte!«, flehte Freda. » Lass mich nicht allein!«
Der Priester lächelte sie mitleidig an, während seine Augen zu geschwärzten, leeren Höhlen wurden. Seine Haut schwand dahin, als er mit seinem letzten Atemzug sagte: » Wisse einfach, dass du kein Ungeheuer bist, Kind des Felsgottes. Du bist ein Teil des Geas. Es gibt andere, denen du vielleicht begegnest, wenn du Glück hast, aber diejenigen, die du als die Hohen Herrscher kennst, haben fast alle von ihnen verdorben. Wir sind wenige, so wenige. Hüte dich, denn die Hohen Herrscher beobachten alles, und ihnen entgeht nichts. Bleib verborgen, Kind des Felsgottes, oder alles ist verloren.«
Die Steinplatte fiel zu, und alles war wieder dunkel.
Der Schmerz in Aspins Schultern war unerträglich. Er hing seit Stunden in Ketten an seinen Armen und konnte spüren, wie sie ihm langsam ausgerenkt wurden. Auch sein Oberkörper wurde von seinem Körpergewicht so gestreckt, dass es ihm immer schwerer fiel zu atmen.
» Ich sterbe«, krächzte er. » Hilfe!«
» Ruhe da unten!«, rief eine Stimme. » Sonst knebeln wir dich wieder.«
» Ich sterbe. Wird den Heiligen nicht freuen. Will mich verhören.«
Es erfolgte nicht sofort eine Antwort, da die Wachen sich uneinig waren, ob sie sich die Mühe machen sollten, ihr warmes Kohlenbecken zu verlassen, um herunterzugehen und nach Aspin zu sehen. Aspin betete, dass ihre Furcht vor dem Heiligen größer war als ihr Bedürfnis, sich warm zu halten. Der Heilige war schließlich ein entsetzliches Wesen.
Als der Heilige früher am Tag die Zelle betreten hatte, hatte Aspin natürlich versucht, seine Seele zu lesen. Sein Verstand war so heftig vor der verzerrten Abscheulichkeit zurückgezuckt, die er vorgefunden hatte, dass er es nicht hatte vermeiden können, sich auf seine eigenen Kleider und die Füße des Heiligen zu übergeben. Morde an Kindern, scharfes Metall, das ihnen ins Fleisch gestoßen wurde. Mütter, die ihre neugeborenen Kinder im Arm hielten und für Verbrechen verbrannt wurden, die nur Einbildung waren. Ein Junge, der von seinem Vater mit einer hölzernen, knüppelartigen Puppe missbraucht wurde. Alte Männer, die kamen, um zuzusehen, in Erregung gerieten und dann selbst an die Reihe kommen wollten. Unaussprechliche Untaten. Erniedrigung, Demütigung und dann Hass. Weißglühender, brennender Hass, der aus seinem Mund, seinen Augen, seiner Nase, seinen Ohren und anderen Körperteilen hervorströmte. Er war zu nichts als diesem Hass geworden– zu einem Geschöpf, das darauf erpicht war zu tun, was auch immer nötig war, um seinen Hass an den Schuldigen auszuleben und danach an allen, die sich seinem Willen nicht beugten, einem Geschöpf, das sich selbst gedankenlos den Erlösern beugte, um noch größere Macht zu erlangen, seinen Hass an anderen auszutoben. Gemetzel. Anderen die Kräfte rauben, um den eigenen Hass zum größten von allen zu machen und mit jeder entsetzlichen Schandtat stärker und hungriger zu werden. Der Hunger war nun so groß, dass das Geschöpf die Welt verschlingen, ihre Knochen zermalmen und ihnen das Mark aussaugen wollte. Es würde das Geas vergewaltigen und dann vernichten und ihm dabei leise die ganze Zeit über ins Ohr singen, wie sein Vater es zuweilen getan hatte, wenn er die hölzerne Puppe gebraucht hatte. Aber der Junge war entkommen! Jillan war entkommen! Er musste gefunden werden, bevor die hasserfüllten Taten ans
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