Das Wispern der Schatten - Roman
macht dich so gefährlich wissbegierig. Solange du deine Fehler nicht einsiehst, stellst du für all deine Mitschüler eine Gefahr da. Sie sollten dich meiden, damit der Makel nicht auf sie übergeht! Dich meiden, ja! Hinaus, Kinder, hinaus! Geht nach Hause und betet darum, dass die Erlöser euch leiten mögen. Hella und Jillan, ihr werdet hier bei mir bleiben, die Heilige Schrift studieren und Erlösung suchen. Danach werde ich mit dem Rat sprechen, um festzustellen, was wir unternehmen können, um euch von den anderen abzuschirmen, bis der gesegnete Heilige erscheint, um den Makel von euch zu ziehen. Hinaus!«, kreischte er.
Die Kinder rappelten sich panisch auf, und ein paar schrien vor Schreck, als sie von den anderen angerempelt und beiseitegestoßen wurden. Jillan blinzelte entsetzt und versuchte zu verstehen, was da vorging. War er wirklich von einem Makel besudelt? War das die Erklärung für den Ärger heute und dafür, dass alle so wütend zu sein schienen? Und was sollte es bedeuten, dass seine Eltern unberechenbar waren? Er sah Hella an, aber sie hatte zu weinen begonnen und wich seinem Blick aus. Ihre Schultern zitterten, aber er wagte es nicht, zu ihr zu gehen.
Der Prediger scheuchte die letzten Kinder hinaus und begann dann erregt auf und ab zu gehen. Von Zeit zu Zeit starrte er die beiden an und murmelte etwas in seinen Bart. Er faltete die Hände und rang sie in innigem Gebet. Jillans Schultern zuckten heftig, aber zum Glück bemerkte der abgelenkte Prediger nichts davon. Am Ende blieb Praxis stehen und war anscheinend zu einer Entscheidung gelangt.
» Sieh doch, was deine Verderbtheit angerichtet hat, Junge! Sieh doch, wie sie unser rechtes Studium des Willens der Erlöser gestört hat. Siehst du ein, zu was für einer Gefahr du geworden bist?«
Zwischen Beschämung und Leugnen, Entschuldigung und Verweigerung hin- und hergerissen stellte Jillan fest, dass er nicht sprechen konnte. Es gelang ihm jedoch, bekümmert zu nicken, während sein Zucken nicht aufhörte.
» Lasst uns beten, dass es noch nicht zu spät ist! Deine eigene Verderbtheit einzugestehen ist der erste Schritt zur Erlösung, Junge. Wenn du bereust und dich dann als aufrichtig bußfertig erweist, besteht noch ein wenig Hoffnung für dich. Das Chaos kann vielleicht noch besiegt und der Makel von dem gesegneten Heiligen ausgetrieben werden! Dann werden wir alle deine Rückkehr zu uns feiern! Also darfst du nicht verzweifeln, Hella Jacobstochter, denn die Hoffnung aufzugeben bedeutet, es am Glauben an die ewigen Erlöser fehlen zu lassen. Wir müssen stattdessen stärker und entschlossener im Glauben werden, denn wir brauchen die Erlöser nun mehr denn je! Zeig mir, dass du das verstehst: Bereue deine Verzweiflung, Hella Jacobstochter!«
Das junge Mädchen bekam unter seinen Tränen einen Schluckauf, wischte sich den Rotz von der Nase und antwortete: » Ich bereue, Herr Prediger, wirklich, das tue ich! Ich versuche, ein braves Mädchen zu sein und die Lektionen zu lernen, so gut ich kann.«
» Das ist gut, Hella, das ist gut. Jetzt tritt an die Heilige Schrift und lies uns aus der Legende der Verdammnis vor, damit wir besser verstehen, welche Schrecken der Makel der Verderbtheit für uns bereithält. Lass uns von der heidnischen Hölle hören, in die das Chaos uns zu locken versucht, einem Ort, der so tief begraben ist, wie der heilige Azual die Leichen der Heiden auftürmte. Sie ist ein Ort des Verfalls und der Verderbtheit, an dem das Chaos sich von Unaufmerksamen und denen nährt, die aus der Sicherheit des Reichs fortgeschweift sind, ein Ort dunkler Heimlichkeit, an dem das Chaos Ränke schmiedet und lauert, um das Reich zu stürzen, während es zugleich vor dem enthüllenden Licht und strahlenden Glanz der gesegneten Erlöser und ihrer Heiligen zurückscheut. Komm, Hella, lies für uns, während Jillan zitternd und von Reue geschüttelt dasitzt! Sieh, wie die Verderbtheit in ihm sich vor Schmerzen windet, nun da sie enttarnt ist und die reinigenden Worte und den wahren Willen der Erlöser vernehmen muss!«
Prediger Praxis entließ sie erst, als die Sonne schon unterging. Er befahl ihnen, geradewegs nach Hause zu gehen, und wies sie an, mit niemandem zu sprechen– vor allem nicht miteinander– und ihren Eltern mitzuteilen, dass sie später am Abend mit einem Besuch von ihm und mehreren Ältesten zu rechnen hätten.
Von Schuldgefühlen und Schreckensvisionen gepeinigt stolperte Jillan blind nach Hause. Er war erschöpft,
Weitere Kostenlose Bücher