Das Wispern der Schatten - Roman
Geheimnisse, die er für das Reich ergründen musste. Wie sonst hätten sie so lange überleben und Widerstand leisten können?
Es schien nirgendwo einen ebenen Weg zu geben. Ein verwinkelter, verkrümmter Ort, der gut zu seinen Bewohnern passte. Die Wadenmuskeln des Predigers brannten und schmerzten bald, aber er weigerte sich, inmitten dieses Pöbels stehen zu bleiben. Er hielt den Kopf hoch über die Leute erhoben, wo die Luft ohne Zweifel sauberer war. Wenigstens hatten er und Torpeth das Maultier zurückgelassen, als sie das Dorf betreten hatten, sodass das übellaunige Biest nicht mehr da war, um die Qual und Pein des Predigers noch zu steigern. Wenn sie Glück hatten, würde einer der Wilden es zu Eintopf verarbeiten, seine Knochen zu Leim verkochen oder sich sonst eine passende Strafe einfallen lassen.
Zwischen den steinernen Behausungen, in denen die Barbaren lebten, erspähte der Prediger das eine oder andere Stück umgegrabenen und geharkten Bodens, doch hier oben in der Kälte zwischen den Steinen wuchs sehr wenig. Sogar der Erde widerstrebt es, diese verderbten Geschöpfe zu ernähren, entschied der Prediger. Nichts Schönes konnte hier gedeihen. An den Hängen über dem Dorf waren offenbar ein paar Terrassen angelegt worden, aber sie schienen verlassen zu sein. Er sah sich einige der Menschen etwas genauer an. Sie waren trotz allem wohlgenährt. Es schien nicht genug Ziegen hier zu geben, um sie alle zu versorgen, und gewiss lebte in dieser unwirtlichen Umgebung auch nicht viel Wild. Deshalb war es für Praxis offensichtlich, dass die Heiden entweder regelmäßig ins Reich hinabstiegen, um Lebensmittel zu stehlen, oder ihren eigenen Nachwuchs verspeisten. Vermehrte sich das Chaos schließlich nicht wo und wann immer es konnte? Diese Berge wären unter Heiden begraben gewesen, wenn nicht ihr offenkundiger Kannibalismus gewesen wäre. Hieß es nicht außerdem in der Heiligen Schrift, dass alle Verderbtheit sich letztendlich selbst verzehrte?
Böse, unheilige Geschöpfe. Wie konnten sie lachen und lächeln, wenn sie doch wussten, was sie getan hatten? Grinsende Menschenfresser. Vielleicht musterten sie ihn jetzt schon in der Absicht, ihn später in den Kochtopf zu stecken oder um die Länge des Bratspießes zu berechnen, den sie benötigen würden, um ihn zu garen. Mochten die gesegneten Erlöser ihn schützen! Nahm es denn gar kein Ende mit ihrer Schändlichkeit?
» Torpeth, warte auf mich!«, rief er und nahm die langen Beine so wacker in die Hand, wie seine Wadenkrämpfe es ihm gestatteten.
Das löste unter den Dorfbewohnern große Heiterkeit aus, und sie versuchten, seinen unbeholfenen Gang nachzuäffen. Torpeth blieb stehen, um zuzusehen, und strich sich über den Bart. » Vielleicht verfügst du über verborgene Talente, Flachländer. So sonderbar entrückt du auch sein magst, sie mögen dich anscheinend. Teile ein wenig deiner Magie mit mir, dann überlege ich mir vielleicht noch einmal, ob ich dich wie geplant verfluche.«
» Du ziehst in Erwägung, mich mit einem Fluch zu belegen?«, fragte der Prediger empört. » Wie kannst du es wagen! Mein Glaube muss sich vor dir und deinen Flüchen nicht fürchten.« Dann dachte er einen Moment lang darüber nach. » Aber dennoch werde ich einen Teil meiner… Magie im Austausch gegen deine Geheimnisse mit dir teilen.«
Torpeth steckte sich einen Finger ins Ohr und stocherte kräftig darin herum. Er nahm die Fingerspitze in Augenschein, steckte sie versuchsweise in den Mund und murmelte: » Ich überlege es mir. Möchtest du auch probieren? Es schmeckt gut, wenn auch nicht so gut wie Pinienkerne. Wie du willst. Hier entlang.«
Sie stiegen durchs Dorf hinauf zu der großen Behausung am Ortsrand. Sie schien quer vor dem Pfad zu liegen, der sich zu den Berggipfeln emporwand.
Torpeth versuchte, sich mit den Fingern die Haare zu kämmen, aber es gelang ihm nur, sich mit den Händen darin zu verfangen. Er sprang und hüpfte herum, während er versuchte, sie wieder herauszuziehen. Am Ende lösten sie sich, aber zugleich riss er sich ganze Haarbüschel aus der Kopfhaut. Als Nächstes spuckte er sich in die Hände und strich sich das Haar so glatt wie nur möglich, also alles andere als glatt. Am Ende holte er von irgendwoher einen alten Strick und schlang ihn sich um die Hüften, so dass die Enden zwischen seinen Beinen baumelten und seine Männlichkeit fast verhüllten.
» Wie sehe ich aus?«, fragte er den Prediger besorgt.
» Äh… wie ein
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