Das Wispern der Schatten - Roman
zurückscheut, im Kampf zu fallen. Ich wäre nicht damit zufrieden, alt und fett zu werden, während meine Feinde mit meinem Land und meinem Vieh machen können, was ihnen beliebt. Und worüber gebietest du eigentlich als Häuptling? Über ein paar unfruchtbare Felsen? Brauchen diese Felsen wirklich deinen Schutz?«
Der Krieger mit dem Messer zögerte, als unzufriedenes Gemurmel und spöttisches Gelächter von den anderen Kriegern zu hören waren. Pralar stieß den Mann an, und er ließ sein Messer fallen. In den Augen des Häuptlingssohns standen Gefühle, aber ob es sich um Zorn oder etwas anderes handelte, konnte der Prediger nicht beurteilen. Gewalt lag in der Luft. Die Krieger begannen einander anzustoßen, und einige drängten vorwärts. Jemand stürzte fluchend zu Boden.
Mit einem Brüllen drängte Häuptling Schwarzschwinge sich nach vorn. » Möge Wandar uns führen!«, schrie er inmitten der Menge, reckte die Arme und breitete die bunte Unterseite seines Flügelumhangs weit aus. » Wir beten dich an, heiliger Wandar!« Die Hälfte der Krieger im Saal fiel auf die Knie, während die, die stehen blieben, sich unsicher umsahen. » Wir sind nicht stolz, wenn wir vor dir stehen oder knien.« Die Stimme des Häuptlings hallte unter der hohen Decke wider. Die Hälfte derer, die noch standen, senkte jetzt die Köpfe und begann stumm zu beten. Die Übrigen sahen zu Slavin oder Pralar hinüber, aber es war unverkennbar, dass der Häuptling den Schwung des Augenblicks an sich gerissen hatte. » Wir sind nicht stolz, wenn wir darum beten, deiner Weisheit teilhaftig zu werden. Wir werden einen Tag und eine Nacht lang den Höhenwinden lauschen, bevor wir in deinem Namen eine Klinge erheben!«
Häuptling Schwarzschwinge starrte Slavin direkt an, während er sprach, und nickte ihm vielsagend zu, bis der weißhaarige Krieger schließlich aufgab und resigniert nickte.
» Es ist gut, dass wir jetzt seine göttliche Weisheit zu ergründen suchen. Wir haben sicher gerade den ersten Teil seiner Prüfung bestanden und sind für gut befunden worden. Führt den Flachländer an den Ort der hohen Meditation, denn er wird den Tag und die Nacht dort verbringen, sodass auch er auf die Probe gestellt wird. Ihr beiden, bringt ihn dorthin. Sofort!«
Zwei drahtige Krieger packten den Prediger unter den Achseln und zerrten ihn auf die Beine. Sie schleiften ihn aus dem Raum, schüttelten oder schlugen ihn, wann immer er eine Frage zu stellen versuchte, und führten ihn einen rutschigen Schotterpfad empor. An der Kante einer vorspringenden Klippe lag ein kleines Steinhäuschen. Sie führten ihn hinein und banden ihm einen Strick um die Taille.
» Da runter!«, befahl einer von ihnen knapp.
» Mögen die Erlöser mich behüten, was für ein unheiliger Ort ist dies! Ein heidnischer Abort! Es ist der Gestank des Chaos selbst!«
» Beweg dich, Flachländer«, hustete der andere und ließ ein Stück seines Messers aufblitzen. » Durch das Loch!«
Der Prediger trat auf das Loch im Boden zu, durch das die Heiden des oberen Dorfs ihren Unrat entsorgten. Der steile Abgrund darunter sorgte dafür, dass sich ihm der Magen umdrehte, und er versuchte zurückzuweichen, aber die heidnischen Teufel standen direkt hinter ihm, stießen ihn nach vorn und schoben ihn ins Loch hinab. Er schrie immer weiter, bis seine Lunge aufgab. Dann wurde er hinuntergelassen, während der Wind ihn beutelte und drehte. Er war in tausend Fuß Höhe! Tränen des Entsetzens gefroren auf seinen Wangen.
Seine Füße berührten eine Felssäule, die mehrere hundert Fuß aus dem Berghang aufragte und etwa ein Dutzend Fuß unter der überhängenden Klippe und dem Abort endete. Die Säule hatte eine recht flache Oberseite von ungefähr vier Fuß Durchmesser, und darauf wurde der Prediger abgestellt. Der Strick fiel herab und peitschte ihm dabei auf den Kopf und die linke Schulter. Er konnte ihn gerade noch auffangen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren.
Er war im Nichts gestrandet. Der Wind zerrte an ihm, und er war überzeugt, dass er fallen würde. Er sah die Einzelheiten des Talgrunds auf sich zurasen. Der Himmel segelte an ihm vorbei. Sieh die Wolken nicht an! Sie bewegen sich und rauben dir das Gleichgewicht! Sieh nicht nach unten! Schließ die Augen. Nein, nicht! Die Säule schwankt im Wind.
» Heiliger Azual, beschütze mich! Herr, wo bist du? Hilf mir!«
Praxis, du musst es erdulden. Du musst durchhalten, antwortete eine Stimme von überall und nirgendwo, aber er
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