Das Wispern der Schatten - Roman
die die Macht eines Erdbebens an Jillan weiterleitete, so dass er Azual damit schlagen konnte. Doch der Junge griff mit der Hand nur unbeholfen nach oben und konnte abermals lediglich die schreckliche Krone des Gottes des Reichs treffen.
Jillan konnte kaum noch etwas sehen. Er war sich nur schwach der Tatsache bewusst, dass sein Erzfeind ihn nun herumdrehte, weiter eine Hand auf Jillans Hals liegen ließ, um ihn zu würgen, und ihm mit den Klauen die Verschlüsse der Rüstung aufschlitzte, um seine Brust freizulegen. Dann streckte der göttliche Vertreter der gesegneten Erlöser die Krallen seiner freien Hand aus.
» Und nun verzehre ich dein geheiligtes Herz, Junge, um dein Lebensblut zu trinken und endlich die Macht des Geas in Besitz zu nehmen.«
Jillan zog das letzte bisschen Macht und Lebensenergie aus seinem Innersten und flüsterte: » Dann ist es mein Opfer und Geschenk an dich, Heiliger!« Er hob zwei zitternde Finger wie zum Segen und ließ seine letzte Magie in den Sonnenmetallhelm strömen.
Der Heilige lachte wahnsinnig. Als er die Klauen in Jillans Brust zu versenken begann, fiel ein einzelner Tropfen Sonnenlicht auf seine Hand. Er brannte durch Fleisch und Knochen. Azual runzelte verärgert die Stirn und versuchte sich zu erneuern, aber der Tropfen strömte zu seinem Handgelenk weiter. Mit einem mächtigen Biss trennte Azual sich die eigene Hand ab, warf sie weg und ließ sich eine neue wachsen. Ein weiterer Tropfen fiel und begann zu brennen.
Azual hatte Kopfschmerzen. Geschmolzenes Sonnenmetall rann ihm übers Gesicht, sengte sich durch eines seiner neuen Augen hindurch, brannte sich tief in seine Wange, löste ihm die Zähne auf und drang durch sein Kinn wieder ins Freie. Es tropfte auf seine Brust und brannte sich geradewegs auf sein pochendes Herz zu.
Panisch setzte er all seine Kraft dazu ein, seinen Körper wiederherzustellen und neu zu erschaffen, aber das Sonnenmetall strömte immer schneller seinen Kopf und Leib hinab.
» Biiiitte!«, würgte er hervor. » Rette mich!«
» Das kann ich nicht«, murmelte Jillan, » denn du hast mir schon alles genommen, was ich hatte, Heiliger. Wo sind deine Erlöser jetzt?«
Azual versuchte, das blendende Metall abzuwischen, doch es gelang ihm nur, es noch weiter zu verteilen. Er warf sich auf den Boden und wälzte sich, um das tödliche Metall zu ersticken oder abzureiben, aber seine Bewegungen wurden immer schwächer, bis er so gut wie still lag. Ein paar kurze Augenblicke lang schien er nur ein Junge in Jillans Alter zu sein. Mit tränenden Augen sah der Junge Jillan an und schenkte ihm ein trauriges, gebrochenes Lächeln.
» Wir sind gleich, du und ich… Hilfst du mir nicht, bevor es dunkel wird und die bösen Leute wieder zu mir kommen? Ich sitze nun schon so lange hier in meinem Zimmer gefangen. Nein. Du solltest gehen, bevor sie kommen.«
» Es tut mir leid… Damon? Ich kann eine Weile mit dir warten. Aber ich glaube, sie kommen nicht mehr wieder«, sagte Jillan mit dem letzten Atem, der ihm noch verblieben war, und schloss die Augen.
» Wirklich? Sie kommen nicht wieder?«, fragte der Junge ganz schwach, als er in schimmernder Hitze und Dampf verging.
Wenige Augenblicke später war nichts mehr vom heiligen Vertreter der Erlöser übrig.
Freda kam herüber, um die Pfütze zu betrachten, die den einzigen Überrest bildete, und schüttelte den Kopf. » Es ist, wie Freund Anupal gesagt hat. Niemand kann allmächtig sein, wenn die Welt weiter bestehen soll.«
Kapitel 14
ODER ZU BEENDEN,
WAS BEGONNEN HAT
D ie maskierte Heilige und ihre Kinder tasteten sich durch die reglosen Körper und die Trümmer, die beinahe alles waren, was von Gottesgabe noch übrig war. Izat wusste, dass ihr nicht viel Zeit blieb, den Jungen zu finden und zu den Erlösern zu ziehen, wenn er denn überhaupt noch lebte.
Plötzlich stand ein ungepflegter, aber hochgewachsener Waldläufer vor ihr. Die Kinder der Heiligen zischten und stoben davon.
» Du solltest nicht hier sein, Unreiner«, sagte Izat herausfordernd, doch die Maske des Sonderbaren, die sie noch immer trug, dämpfte die Autorität ihrer Stimme.
» Du auch nicht, Heilige. Wie wäre es damit: Ich verrate dich nicht, wenn du mich nicht verrätst«, sagte Ash augenzwinkernd. » Du kommst in Teufels Küche, wenn bekannt wird, dass du dich ungebeten in der Region eines anderen Heiligen aufhältst, nicht wahr?«
» Du verstehst nichts von dem, was du da sagst. Aus dem Weg! Der verrückte Heilige ist nicht
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