Das Wispern der Schatten - Roman
Augenblicks, Jillan. Manche von uns können ihn abpassen, andere dagegen nicht.«
D’Selle war hocherfreut über das, was D’Shaas wahnsinnigem Heiligen und der Stadt Gottesgabe zugestoßen war, und überzeugt davon, dass D’Shaa nun mit der Todesstrafe belegt und ihre Region ihm übergeben werden würde. Er fühlte sich so bestätigt, dass er sich einfach nicht zwingen konnte, besonders verärgert darüber zu sein, dass es seiner eigenen Heiligen, Izat, nicht gelungen war, den Jungen zu fangen. Die Jahrtausende der Demütigung, jemanden, der so unreif wie D’Shaa war, als seinesgleichen dulden zu müssen, und die zusätzliche Kränkung, dass sein Angriff auf sie von der unerklärlichen Entscheidung des Ältesten Thraal, den Sonderbaren loszulassen, untergraben worden war, waren nun vorüber, und der Sieg und die unweigerlich damit verbundene Belohnung gehörten D’Selle allein. Seine sorgfältige Planung, seine Mühen und sein Genie hatten die Welt geprägt und seinen Willen Wirklichkeit werden lassen. Gewiss hatte niemand jetzt einen größeren Anspruch auf den Besitz dieser Welt als er: D’Shaa hatte Schande über sich gebracht und sich so ihr eigenes Urteil gesprochen, D’Zel aus dem Norden, der sich ehrgeizig für D’Shaa erklärt hatte, würde sich glücklich schätzen können, wenn er die Maßregelung, die ihm gewiss war, überlebte, und D’Jarn war unbedeutend, da die Zähmung des Ostens misslungen war. Sogar die Urteilskraft des Ältesten Thraal würde nun infrage gestellt werden, denn hatte er nicht die in Ungnade gefallene D’Shaa gerettet? Der Ältestenrat fragte sich doch sicher, ob der Älteste Thraal noch weiter als Wächter dienen sollte und überhaupt noch nützlich war. Sicher hatten sie D’Selle schon im Blick und fragten sich, ob er vielleicht ein geeigneterer Kandidat sein würde. Wächter D’Selle! Der Älteste D’Selle! Sein Name würde sich bis ans äußerste Ende des Kosmos herumsprechen, und alle würden erfahren, dass mit ihm eine neue Macht aufstieg, eine Macht, die seinesgleichen zum Heil führen konnte, was bislang noch niemandem gelungen war.
D’Selle schritt durch die endlosen Gänge des labyrinthartigen Großen Tempels, vernichtete unzählige Diener allein durch seine Gegenwart und bemerkte es doch kaum. Sie alterten so schnell, wenn seinesgleichen in ihrer Nähe war, dass sie völlig unbedeutend und unwichtig waren. Sie waren totes Laub, Sandkörner, Staub im Wind.
Er stieg ins Erste Allerheiligste auf, den einzigen Ort, an dem seinesgleichen je in großer Zahl zusammenkam. Hier wurde man Zeuge, wie der Rat Gericht hielt und seinen Willen kundtat. D’Selle schwebte mit wachsender Erregung dorthin empor, da er es kaum abwarten konnte, D’Shaas Vernichtung mitzuerleben. Er hatte noch nie gesehen, wie jemandem seiner Art der Garaus gemacht wurde, und erschauerte angesichts dieser Aussicht vor Staunen, Entsetzen und Aufregung. Wann hatte er das letzte Mal etwas Neues erlebt? Und das hier war nicht nur die Entdeckung irgendeiner neuen Blume oder eines Insekts, sondern etwas, das ihn mehr über sein Dasein und seinesgleichen lehren würde.
Er eilte in den vollkommen kugelförmigen Raum, in dem Sitzreihen vom untersten Punkt der Kugel bis ganz oben übereinander angeordnet waren. Die meisten seiner Art saßen im größten Ring auf halber Höhe und in den Rängen unmittelbar darunter. Die Erlöser in D’Selles eigenem Rang saßen natürlich weiter oben, wo es weniger Sitze gab. Der Älteste Thraal saß ganz allein in einem der höchsten Kreise. Offenbar hatten die anderen Ältesten beschlossen, in ihrer fast ewigen Ruhe zu verweilen. D’Selle verdrängte die Enttäuschung darüber, dass er heute also nicht an die Stelle des Ältesten Thraal treten würde. Es spielte keine Rolle– er war überzeugt davon, dass sich ihm in nächster Zukunft andere und bessere Gelegenheiten dazu bieten würden, wenn er nur erst die Beute seines jüngsten Sieges in Besitz genommen hatte.
Er begann die Treppen zum Kreis seines eigenen Ranges hinaufzusteigen und fragte sich, wann D’Shaa als Objekt des Urteils und Willens hereingeführt werden würde, um ganz unten in der Kugel zu stehen.
» Nein, D’Selle!«, sprach der Geist des Ältesten Thraal in die Stille des Ersten Allerheiligsten hinein. » Du wirst nicht weiter aufsteigen.«
Ein geistiges Aufkeuchen ertönte aus den ringförmigen Galerien. D’Selles Augen weiteten sich bis aufs Äußerste. D’Shaa saß im höheren Kreis! Sie
Weitere Kostenlose Bücher