Das Wispern der Schatten - Roman
Ausschau nach einem Pfad, von dem man annehmen konnte, dass er durch die Bäume auf höher gelegenen Grund führte.
Der Nebel vor ihm lichtete sich, während er weiterging, und so beschloss er, doch noch etwas länger zu wandern. Er wurde belohnt, als ein warmer Lichtschein hinter einer sanften Biegung in der Straße aufschimmerte. Ein Gebäude, hier draußen? Er konnte doch nicht etwa schon in der Nähe von Erlöserparadies sein, oder? Es war ganz unmöglich, dass er bereits so weit gekommen war. Er humpelte weiter und erkannte, dass er sich einer Art Weggabelung näherte.
Er bemerkte einen weißen Wegweiser und hinkte hinüber. Auf dem Pfeil, der die Straße hinunterwies, die er gerade entlanggekommen war, stand GOTTESGABE , auf dem, der nach links zeigte, ERLÖSERPARADIES und auf dem zur Rechten HELDENBACH .
Er sah das Haus jenseits der Straße an. Es war ein solides, zweistöckiges Bauwerk aus großen Blöcken eines granitähnlichen grauen Steins, mit dicken Holzständern und Querbalken. Es schien eine Art hölzernes Nebengebäude zu geben, bei dem es sich wohl um eine Scheune oder einen Stall handelte, obwohl keine Tiere zu sehen waren. Die Tür des Haupthauses war breit und mit einem dunklen Metall beschlagen, sicher zu Verteidigungszwecken, aber sie war im Augenblick nicht fest verschlossen– stattdessen schien ein wenig Licht um sie herum, als wäre sie nur eingeklinkt. Dann sah Jillan das große Schild, das über der Tür hing und den Namen GASTHAUS ZUR WEGSCHEIDE , ein Messer und eine Gabel zeigte. Im selben Moment überwältigte ihn der Duft von gekochtem Fleisch, und ihm lief sofort das Wasser im Munde zusammen. Ihm war nicht bewusst gewesen, wie hungrig er war, und so war er bereit, sich in ein Gasthaus zu wagen, in dem sicher überwiegend Helden abstiegen.
Jillan zögerte nicht, zur Tür hinüberzugehen, anzuklopfen und dann den schweren, ringförmigen Griff zu drehen. Er trat in einen offenen Raum mit Balkendecke, in dem reichlich Tische und Stühle rings um den breiten Kamin an der Rückwand standen. Flammen tanzten fröhlich unter einem Kessel, der von zwei Haken hing, und der Geruch eines Eintopfs, der daraus hervordrang, war zum jetzigen Zeitpunkt fast genug, ihn in Ohnmacht fallen zu lassen.
» Ah, also haben wir heute Abend doch noch Gäste!«, dröhnte eine Stimme aus einem Raum zur Rechten hervor, und ein dicker, glatzköpfiger Mann kam heraus, um Jillan zu begrüßen. Er hatte einen Schnurrbart in einem entsetzlichen Orangeton, und seine kleinen, schwarzen Augen verloren sich in den Wülsten seines Gesichts, aber er hatte ein breites, einladendes Grinsen. » Ich hatte schon Angst, wir wären in Ungnade gefallen, als so viele Reiter einfach vorbeigeprescht sind, ohne auch nur haltzumachen, um sich die Lippen zu befeuchten.« Er streckte Jillan eine fleischige Hand entgegen. » Ich bin Wacker, der Besitzer dieses schönen Gasthauses. Komm zum Feuer herüber, um dich aufzuwärmen. Wie heißt du denn? Und hast du ein Pferd, das im Stall versorgt werden muss?«
Jillan schüttelte dem Wirt die Hand, die sich überraschend klamm anfühlte, und fand sich zu einem Tisch auf der anderen Seite des Schankraums geschleift. » Ich bin… äh… Irkarl. Ich bin zu Fuß hier.«
» Irkarl, hm? Du bist an den Reitern vorbeigekommen, nicht wahr?«
» Ja. Das heißt, nein. Ich habe sie auf der Straße nach Gottesgabe gehört, aber ich komme aus Heldenbach.«
» Heldenbach, soso. Ich habe neulich erst gehört, dass die Straße überflutet ist und Wagen dort nicht durchkommen können. Ist das immer noch so? Du musst hungrig sein, junger Irkarl, nicht wahr?«
Jillan nickte. » Natürlich.« Er zögerte. » Ich bin auf Pilgerfahrt nach Hyvans Kreuz.« Ihm wurde sofort klar, dass er einen Fehler gemacht hatte.
Wacker runzelte die Stirn. » Dann hast du aber einen seltsamen Weg genommen, junger Irkarl aus Heldenbach. Warum hast du nicht die Nordstraße von deinem Dorf aus genommen?«
» Ich… äh… nehme absichtlich einen Umweg, damit die Pilgerschaft schwieriger wird«, behauptete er aus dem Stegreif.
Wacker nickte langsam und musterte Jillan argwöhnisch. » Wahrlich ein löbliches Ansinnen.« Dann bleckte er die Zähne wieder zu einem Grinsen. » Aber was schwatze ich hier so lange, wo dir doch der Magen knurren muss? Wo sind meine Manieren? Ingrid, du faules Stück, wo steckst du? Komm sofort her und bediene unseren Gast. Ah, da bist du ja. Irkarl möchte sicher etwas von unserem berühmten
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