Das Wispern der Schatten - Roman
Wangen, und der Geruch eines einschläfernden Krauts drang ihm in die Nasenlöcher. Sie hatten ihm einen Sack übergestülpt, als ob er ein ungezähmtes Tier wäre.
» Bewegt euch, ihr elenden Mistkerle!«, bellte eine schneidende Stimme, die nur Skathis gehören konnte. » Er ist es! Die Beschreibung passt auf ihn. Legt ihm die Eisen um Handgelenke und Knöchel. Schnell! Er ist gefährlich. Nein! Zieh ihm die Hände auf den Rücken, Schwachkopf! Fuß in die Kniekehle. Haltet ihn nieder.«
Zwei Männer drückten Aspin zu Boden. Wie konnte das nur geschehen? Seit er im Flachland war, hatte er nur Jacob getroffen, und der Händler konnte noch keine Gelegenheit gehabt haben, ihn zu verraten, und sei es auch unabsichtlich. Wie konnten diese Männer wissen, dass sie ihn abpassen sollten, obwohl er doch nicht einmal selbst gewusst hatte, dass er nach Erlöserparadies kommen würde?
» He, was macht ihr denn da mit ihm?«, schrie die Stimme der Frau im roten Kleid. » Er ist nur ein Junge. Ihr müsst doch nicht gleich alle über ihn herfallen! Es gibt keinen Grund, so zu übertreiben!«
Skathis ignorierte sie. » Habt ihr den Knebel? Zieht ihm den Kopf in den Nacken.«
Der Stoff vor seinem Gesicht straffte sich, und sein Hals wurde vom Boden hochgebogen.
» Jetzt.«
Die Kapuze löste sich. Aspin blinzelte verwirrt. Von irgendwoher kam eine Faust und versetzte ihm einen kräftigen Hieb ins Gesicht. Seine Oberlippe platzte auf, und ein Zahn brach ab. Der Unterkiefer hing ihm schlaff herunter. Ein zusammengeknülltes Stück Stoff wurde ihm in den Mund gezwängt und als Knebel festgebunden.
Vor seinen Augen verschwamm erst alles, dann richtete er den Blick auf Skathis’ erbarmungsloses Gesicht.
» Noch immer bei Bewusstsein, trotz der Kräuter, was? Zäher kleiner Kerl.« Skathis nickte einem Soldaten zu, der in der Nähe stand. Ein weiterer Fausthieb traf Aspin an Wange und Kinn und ließ ihn in die Dunkelheit trudeln.
» Ihr Rohlinge!«
» Ihr beiden schafft ihn in die Bestrafungskammer, und ich unterrichte den Heiligen von unserem Erfolg. Und bringt endlich diese Frau zum Schweigen!«
Jillan beobachtete von weiter hinten in der Schlange entsetzt, wie die Helden den unschuldigen Jungen wegschleiften. Er tauschte einen Blick mit Ash.
» Denkst du etwa…«
» Es ist das Beste, gar nicht zu denken– zumindest nicht laut«, murmelte Ash. » In Ordnung, mach einfach nach, was ich tue. Bereit? Jillan, pass doch auf!«
» Was? Ja, in Ordnung.«
» Bleib jetzt nahe bei mir. Gehen wir.«
Der Waldläufer schob sich unauffällig vorwärts, als die Reihe von Menschen sich nach rechts und links bewegte, um einen besseren Blick auf den Tumult zu erhaschen. Jillan hielt sich dicht hinter Ash und stellte fest, dass sie sich Stück für Stück dem Tor näherten. Dort standen jetzt weniger Wachen und hatten ihre liebe Not damit, die vielen Menschen, die in die Stadt drängten, in irgendeiner Form geordnet abzufertigen.
Ash schien instinktiv zu spüren, wann sich jemand vor ihm nach links oder rechts bewegen würde, denn er schob sich immer genau zum rechten Zeitpunkt in die Lücke, die ein anderer hinterließ. Er und Jillan kamen so glatt und mühelos voran, dass es fast wirkte, als würde die Menge sich vor ihnen teilen. Binnen kürzester Zeit waren sie beim Tor angelangt.
» Bleib bei mir. Warte hier eine Sekunde. Warte. Jetzt gehen wir.«
Sie traten genau in dem Moment vor, als der Wachsoldat vor ihnen einem jungen Mädchen beisprang, um einen wackeligen Stapel von Eierpaletten zu stützen. Ash drehte sich zur Seite– scheinbar, um dem Soldaten Platz zu machen– und schlüpfte zugleich an ihm vorbei.
» Danke«, sagte der Soldat abgelenkt, als er wieder Atem geschöpft hatte.
» Nichts zu danken«, murmelte Ash und zog Jillan in die Stadt.
Sie waren auf einer Straße mit Kopfsteinpflaster, die geradewegs ins Stadtzentrum und damit vermutlich zum Marktplatz führte. Sie war so breit, dass zwei Wagen aneinander vorbeifahren konnten, doch im Augenblick wäre aller Verkehr stadteinwärts geströmt, wenn er nicht zum Stillstand gekommen wäre, weil ein Karren ein Rad verloren hatte, sodass Hühnerkäfige aufs Pflaster purzelten und einer großen Anzahl aufgescheuchter Vögel die Flucht gelang. Ein paar Fußgänger standen daneben und sahen sich den Spaß an, während andere versuchten, die Hühner zurück zu dem rotgesichtigen Fuhrmann zu scheuchen, während wieder andere hinter ihm entweder wütend auf ihn einschrien
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