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Das Wörterbuch des Viktor Vau

Titel: Das Wörterbuch des Viktor Vau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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Volk.«
    Â»Damit magst du ja recht haben«, räumte Enrique ein. »Aber das Römische Reich ist untergegangen und mit ihm seine Logik. Wer sagt uns, dass die Herrschaft der linken Gehirnhälfte nicht auch diesmal nur wieder eine vorübergehende Erscheinung ist? Und wenn dem so wäre, dann müssten wir das Wörterbuch nicht vernichten, sondern könnten Professor Vaus Erkenntnisse nutzen, um daraus zu lernen und eine bessere Welt aufzubauen.«
    Â»Eine bessere Welt?«, fragte Astarte sarkastisch. »Sieh dich doch mal um! Schon diese Epoche befindet sich auf dem Weg in den Abgrund! Und du weißt, wohin es führen wird. Wenn Viktors Sprache sich einmal in den Händen der Dynastie befindet, werden wir gar nichts mehr ändern können!«
    Enrique war sich nicht sicher, was er darauf erwidern sollte. Einerseits war er überzeugt davon, Viktor Vaus Wörterbuch für die Nachwelt erhalten zu müssen. Andererseits hatte diese Zeit, in der er gestrandet war, ihre Spuren hinterlassen, vor allem die Sprache. Das, was er anfangs befürchtet hatte, war eingetreten. Sie hatte sich seines Geistes bemächtigt und damit seine Gedanken verändert. Und wenn er ehrlich war, dann empfand er das nicht als einen Verlust, sondern als einen Gewinn.
    Viktor blickte seine Gegenüber nachdenklich an. »Und jetzt verraten Sie mir doch bitte, weshalb Sie beide eigentlich in meine Zeit gekommen sind?«
    Â»Astarte ist gekommen, um Sie zu töten«, erklärte Enrique wie beiläufig. »Und ich bin hier, um sie daran zu hindern.«
    5.
    Enrique hatte nur eine Vermutung ausgesprochen, einen Gedanken, der sich ihm in den letzten Minuten aufgedrängt hatte. Zugleich fragte er sich, wie das möglich war. Hatte er sich unter den Millionen Menschen in dieser Stadt ausgerechnet in die eine verliebt, die wie er aus der Zukunft hierher gereist war, allerdings mit einem völlig anderen Auftrag als er? Konnte sie wirklich die Rebellin sein, die Viktor Vau töten sollte? Aber warum hatte sie das nicht schon längst getan? Gelegenheiten dazu hatte sie doch sicher genug gehabt.
    Viktor blickte sie schockiert an. »Erklären Sie mir, dass das nicht wahr ist, Astarte.«
    Sie senkte den Blick. »Aber es ist so. Ich gehörte zu den wenigen Menschen, die die Stimmen nicht hören konnten. Vermutlich ist ein genetischer Defekt die Ursache. An der Universität stellte ich fest, dass es andere gab wie mich. Aus irgendeinem Grund führte das auch dazu, dass wir uns von der unerbittlichen Logik der Sprache befreien und dadurch unsere Gesellschaft so sehen konnten, wie sie wirklich war: freudlos, lieblos, gefühllos. Und so beschlossen wir, sie zu ändern. Es gelang einem von uns, einige alte Bücher in seinen Besitz zu bringen, aus denen hervorging, wer der Urheber unserer Sprache war. Nämlich Sie.«
    Â»Und weil die Rebellen glaubten, dass alles Übel in der Logik der Sprache lag, beschlossen sie, Sie zu töten«, ergänzte Enrique.
    Astarte nickte. »Zuerst haben wir eine Raumkapsel in diese Zeit zurückgeschickt. Natürlich konnten wir nicht überprüfen, ob sie angekommen war. Dann, viele Jahre später, war die Technologie so weit, auch Menschen auf Zeitreisen zu schicken. Ich meldete mich freiwillig für diese Mission.«
    Â»Aber was die Rebellen nicht kannten, war die Ursache für die Stimmen«, sagte Enrique. »Als Protektor wusste ich, dass die Regierung regelmäßig über alle Medien kurze Ton- und Lautfolgen ausstrahlte, die als die Stimmen wahrgenommen wurden. Jetzt verstehe ich, was das war: die Sprache der rechten Gehirnhälfte, die ebenfalls auf Ihre Forschungen zurückgeht.«
    Â»Das war es auch, was Sie verraten hat«, erklärte Viktor müde. »Niemand außer mir weiß davon, dass ich die Sprache der rechten Hemisphäre in meinem Notizbuch aufgezeichnet habe. Als Sie davon anfingen, war mir klar, woher Sie kommen mussten. Ich bin einfach nur zu erschöpft, um schockiert zu reagieren.«
    Viktor hatte den Satz kaum ausgesprochen, als sie durch das Fenster das Flackern von Scheinwerfern sahen.
    Â»Licht aus!«, schrie Enrique, sprang zu Viktor hinüber und zog ihn mit sich zu Boden. Zehn Sekunden später lagen sie alle vier im dunklen Zimmer auf dem Teppich und lauschten.
    Â»Zwei Fahrzeuge sind vorgefahren.« Enrique ließ Viktor los. »Wartet hier.«
    Er schlängelte sich

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