Das Wörterbuch des Viktor Vau
vor allem die Reporter, die über Behinderung der Pressearbeit klagten. Am lautesten beschwerte sich ein etwas dicklicher Mann, der für einen Journalisten deutlich zu teuer gekleidet war.
»Fellner!«, rief er. »Wollen Sie, dass ich den Bürgermeister anrufe, um ihm mitzuteilen, wie Sie mit der Presse umgehen?«
Der Kommissar spielte für einen Moment mit dem Gedanken, den Fragesteller einfach zu ignorieren. Rupert Cassell war in seinen Augen ein Schmierfink, ein sensationslüsterner Spanner, dem es weniger um journalistisches Ethos als um seine persönliche Profilierung ging. Leider war er damit erfolgreich, und man munkelte zudem, er habe beste Verbindungen in höhere politische Kreise, ein weiterer Grund, warum Fellner ihn nicht mochte.
Zugleich war das aber auch der Grund, warum er den Mann nicht ignorieren konnte. Cassell war es gewesen, der die ersten Berichte über den Floristen veröffentlicht hatte. Fellner hatte die Sache aus den Medien herausgehalten und wäre damit wahrscheinlich auch erfolgreich gewesen, aber Cassell musste einen Tipp von einem Informanten erhalten haben. Der Reporter hatte sich in seinem ersten Leitartikel über den Floristen nicht nur auf die Details der Morde konzentriert, sondern als zweiten Strang seiner Berichterstattung Fellner ins Visier genommen. Wie konnte es sein, so seine empörte Fragestellung, dass ein gefährlicher Serienmörder in der Stadt sein Unwesen trieb, Fellner die Ãffentlichkeit darüber aber nicht informierte? Trug er damit nicht die Verantwortung für jedes weitere Opfer, das der Mörder fand? Wieso lieà er die Bürger im Unklaren, die so ihre Töchter und Frauen nicht schützen konnten und sie tagtäglich der Gefahr aussetzen mussten, unter das Messer des Mörders zu geraten?
Fellner wusste nicht, warum Cassell diese persönliche Fehde mit ihm vom Zaun gebrochen hatte. Er vermutete jedoch, dass dahinter politische Interessen standen. Er war weiter oben nicht besonders beliebt, denn er hatte seine eigenen Ansichten, was die Planungen für das Stadtviertel anging, in dem sein Büro beheimatet war. Und nicht nur das, er scheute sich auch nicht, diese Meinungen öffentlich zu verbreiten. Dass ihm das keine Freunde machte, war ihm klar.
Allerdings war es nicht so einfach, ihn aufs Abstellgleis zu schieben. Fellner war bei seinen Kollegen ausgesprochen beliebt, und seine Erfolgsquote war die höchste in der ganzen Stadt. Ihn abzustrafen, hätte auch in der Ãffentlichkeit einen schlechten Eindruck gemacht. Also wartete man darauf, dass er sich vielleicht irgendwann eine BlöÃe geben würde. Und dieser Augenblick schien jetzt gekommen zu sein. Mit jedem Opfer des Floristen wurde Fellners Position schwächer, und wenn er nicht bald einen Erfolg vorweisen konnte, könnten seine Gegner endlich ihr Ziel erreichen.
Fellner gab den Beamten ein Zeichen, Cassell durchzulassen, was sofort ein Protestgeheul der übrigen Reporter hervorrief.
»Sehr vernünftig«, lächelte Cassell breit. »Sie scheinen ja doch noch lernfähig zu sein, Fellner.«
»Ich wünschte, ich könnte dasselbe von Ihnen sagen. Was wollen Sie?«
Cassell deutete auf die Leiche. »Ein neues Opfer des Floristen?«
»Das wissen wir erst, wenn der Gerichtsmediziner mit seiner Arbeit fertig ist.«
»Kommen Sie, Fellner, Sie haben doch ihren Rücken studiert. War erâs oder war erâs nicht?«
»Es könnte jeder sein«, erwiderte Fellner. Er bemühte sich nicht, seine Verärgerung zu verbergen. »Da Sie ja in alle Welt hinausposaunt haben, wie die Signatur des Floristen aussieht, ist jetzt jeder Mörder in der Lage, seinem Opfer ein Stück Haut herauszuschneiden, um die Tat dem Floristen in die Schuhe zu schieben.«
»Die Ãffentlichkeit hat ein Recht auf Informationen, ob Ihnen das in den Kram passt oder nicht.«
»Ihnen ist das Recht der Ãffentlichkeit doch völlig egal! Für Sie zählt doch nur die Auflage Ihres Blättchens.«
»Ein Grund mehr, mir Informationen zu geben. Wenn ich ein paar gute Worte über Sie fallen lasse, werden meine Leser Sie lieben. Aber ich kann Sie ebenso gut zur Zielscheibe machen.«
»Das tun Sie doch schon die ganze Zeit. Glauben Sie nicht, ich wüsste nicht, wer dahintersteckt.«
»Verschwörungstheorien, Herr Kommissar?« Cassell grinste hämisch. »Es liegt allein in Ihrer
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