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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Reich seit einem Jahrhundert unterdrückte.
    Der Anführer der Mandschu war noch größer als die übrigen, wenngleich nicht so breit und massiv wie die meisten. Er überragte jeden seiner Männer um mindestens einen Kopf. Er hatte langes Haar – schwarz, wie offenbar jeder in diesem Land – und trug keine Waffe. Sonnenlicht reflektierte auf seiner hohen Stirn; dort war eine handtellergroße Eisenplatte in seinen Schädel eingelassen, wie ein Stück von einem Helm, das mit dem Gesicht verwachsen war.
    Die Mandschu hatten sich im Halbkreis vor dem Hundehän d ler aufgebaut. Niccolo wich einen Schritt zurück, stand jetzt eingepfercht zwischen einem Obststand und einem Papierve r käufer.
    » Herr Genera l «, sagte der Hundehändler beflissen zum Anfü h rer der Mandschu und verbeugte sich ehrerbietig, » w ie schön, Euch zu Diensten sein zu dürfen. «
    Niccolo beugte sich verstohlen zu dem Papierverkäufer, der angespannt zu der unheilvollen Versammlung hinübersah. » Wer ist das? «, flüsterte er.
    Der Mann musterte ihn kurz und schien zu überlegen, ob er sich wohl Ärger einhandelte, wenn er mit ihm sprach. » Lotu s klau e «, sagte er nach einem Augenblick. » Er führt die Mandschutruppen diesseits des Gebirges an. «
    » Ist er wirklich ein General? «
    » Du bist kein Mandschuspion, oder? «
    » Sehe ich aus wie einer? «
    » Ich weiß ehrlich gesagt nicht, welchen Rang er bekleidet. Ein gewöhnlicher Hauptmann wird er wohl sein. Aber die Leute munkeln, dass er verrückt ist. Das Eisen in seiner Stirn … Du weißt schon. «
    Niccolo schüttelte den Kopf.
    » Es rostet. « Der Chinese riss die Augen weit auf. » Der Rost bringt ihn um den Verstand. Jedenfalls erzählt man sich das. Der Rauch des Schwarzen Lotus lindert seinen Schmerz, deshalb sieht man ihn oft im Teehaus, gebeugt über dampfende Lotu s schalen. «
    » Lotusklaue ist also nicht sein wirklicher Name? «
    Der Mann zuckte die Achseln. » Alle nennen ihn so. «
    Niccolo nickte ihm dankbar zu und sah wieder zum Hu n destand hinüber. Die Tiere in den Käfigen jaulten immer aufgeregter, einige begannen zu kläffen.
    » Um was habe ich dich gebeten, als wir uns zum letzten Mal gesehen haben? «, fragte Lotusklaue ruhig.
    Sogleich verfiel der Hundehändler in einen weinerlichen Tonfall, als sei alles Leid der Welt über ihn hereingebrochen. Er raufte sich das Haar und rang mit den Händen. » Aber, Herr, Ihr wisst … Die Zeiten sind schlecht, und jeder muss sein Au s kommen finden mit dem, was er am besten kann. «
    » Ich mag Hund e «, sagte Lotusklaue.
    » Ja, Herr, ich weiß, aber bitte, seht doch ein – «
    » Und ich verabscheue es, wenn irgendwer sie isst. «
    Der Händler erging sich in einer jammernden Litanei, die nicht enden wollte, ehe Lotusklaue ihm mit einer blitzschnellen Handbewegung über den Mund schlug.
    » Was habe ich zu dir gesagt, als wir uns zum letzten Mal gesehen haben? «
    Wehklagend riss der Händler die Arme zum Himmel. » O weh! Ojemine! «
    Lotusklaue drehte sich zu seinen Männern um und fragte mit todernster Miene: » Ist es das, was ich gesagt habe? Ojemine? «
    Einige Soldaten lachten leise, aber ihr Anführer brachte sie mit einem düsteren Blick zum Schweigen. Dann drehte er sich wieder zum Hundehändler um.
    » Du bist ein dummer, kleiner Mann. Weniger wert als der Schmutz unter den Pfoten dieser Hunde. «
    » Ja, Herr. Gewiss, Herr. «
    Lotusklaue schüttelte nachdenklich den Kopf, als hätte er es mit einer Angelegenheit von reichstragender Bedeutung zu tun. » Lasst die Hunde frei! «, sagte er zu seinen Männern.
    Sogleich machten sich mehrere Soldaten daran, die Käfige zu öffnen. Die Hunde sprangen winselnd und bellend ins Freie und wetzten in alle Richtungen davon, zwischen den Beinen der umstehenden Schaulustigen hindurch. Kaum jemand außer den Mandschu wagte sich zu rühren. Auch Niccolo stand stocksteif, um nur ja nicht das Augenmerk der Krieger auf sich zu lenken. Die Befreiung der Hunde war ganz nach seinem Herzen, gewiss, aber er verspürte keine Erleichterung. Der Odem von Unterdr ü ckung und Tyrannei hing wie Gestank über dem Flussufer und der schaukelnden Hausbootflotte. Machte die Tatsa che, dass er Hunde liebte, den Mandschuhauptmann weniger bösartig?
    Der Händler jammerte leise, während die Mandschu die let z ten Tiere befreiten und schließlich die leeren Käfige zerschlugen und zertrampelten, bis nichts übrig war als geborstenes Holz. Niccolo konnte kein Mitleid für den Mann

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