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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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empfinden, aber an den Mienen der übrigen Menschen auf dem Marktplatz erkannte er, dass hier eine Ungerechtigkeit im Gange war. Hunde zu verkaufen war kein Verbrechen, und doch wurde gerade mit der Willkür des Eroberers gegen einen einfachen Mann vorgega n gen.
    » Hängt ihn auf! «, befahl Lotusklaue und ging davon, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Ein Flüstern ging durch die Menge. Noch immer rührte sich niemand.
    Der Hundehändler begann zu schreien, als zwei Soldaten ihn packten, während ein dritter ein Seil vom Stand eines Hanfve r käufers riss und eine Schlinge knotete.
    Wenige Minuten später war es vorbei.
    Der Leichnam des Hundeverkäufers baumelte an einer Que r strebe seines eigenen Standes, die Füße nur wenige Handbreit über dem Boden, die Augen weit aufgerissen, als wollte er, dass selbst im Tod noch jedermann die wortlose Anklage darin las. Ein violetter Schmetterling setzte sich auf seine Wange und schlug gemächlich mit den Flügeln. Auf und zu. Auf, zu.
    Niccolo wartete ab, wohin die Mandschu abmarschierten, dann setzte er sich eilig in Bewegung und verschwand in der entg e gengesetzten Richtung.
    * * *
    Das Mädchen mit dem struppigen schwarzen Haar und den grünen Mandelaugen beobachtete, wie der fremde Junge davonging. Es hatte ihn beobachtet, seit er den Markt betreten hatte. Selbst als die Mandschu den Hundehändler aufknüpften, hatte sie ihren Blick nicht von dem Jungen lösen können.
    Von seinen runden goldenen Augen.
    Sie wartete, bis er sich zwanzig Schritt weit entfernt hatte, dann folgte sie ihm. Die Menge rührte sich jetzt wieder, doch nach zehn Monaten unter Menschen wusste Nugua, dass es viele Stunden dauern würde, ehe jemand wagen würde, den Toten von seinem Galgenstrick zu befreien. Auch sie selbst dachte nicht im Traum daran. Nicht ihr Problem. Menschendünkel interessierten sie nicht.
    Sie war ein Drache, auch wenn niemand sonst ihr das ansah.
    Nicht ihr Äußeres machte sie zu einem Drachen – ebenso wenig wie es sie zu einem Menschen machte. Ihr Verstand war es; die Art, wie sie dachte. Ihr Blick, der durch das wimmelnde Leben rund um sie hindurchschnitt, denn es war jämmerlich unbedeutend in Anbetracht ihres Ziels.
    Und nun dieser Junge mit den Drachenaugen.
    Nugua heftete sich an seine Fährte. Er war ihre erste Spur seit zehn Monaten. Der erste Hinweis, den sie ernst nahm.
    Drachenaugen.
    Wenn nicht er, wer sonst sollte wissen, wohin Yaozi und sein Clan verschwunden waren?
    ** *
    Niccolo betrat ein Teehaus, nicht weitab vom Ufer in einem dürren Bambushain. Rund um das Holzgebäude klapperten die Stämme der Bambuspflanzen in der leichten Sommerbrise. Sanftes Blätterrauschen folgte ihm ins Innere, denn das Teehaus war nach drei Seiten hin offen. Das Strohdach ruhte auf den vier Eckpfosten, aber nur zwei von ihnen waren durch eine Wand verbunden. Da vor befand sich eine Theke. Die übrige Fläche war voll gestellt mit Tischen für je drei bis vier Gäste.
    Flößer und andere Flussschiffer saßen in kleinen Gruppen beieinander und unterhielten sich leise. Reisbauern und Händler vom Markt sprachen mit gesenkten Häuptern, und ihren Mienen war anzusehen, dass die Nachricht vom Tod des Hundeverkä u fers Niccolo auf dem Weg hierher überholt hatte.
    Einige Männer unterbrachen ihre Gespräche und sahen ihn neugierig an. Von seinem Vater war er zum Einzelgänger erzogen worden. All die Blicke, die sich jetzt auf ihn richteten, waren ihm unangenehm; er spürte sie auf der Haut wie Bran d zeichen, mit denen diese Menschen ihn als Außenseiter markierten.
    Doch rasch wandten die Gäste sich wieder ihren eigenen Geschäften zu. Die Hinrichtung des Hundeverkäufers bot interessanteren Gesprächsstoff als die Ankunft eines fremden Jungen in schmutziger Kleidung.
    » Wo finde ich einen Drachen? «, fragte er den Wirt, als dieser ihm einen Becher mit duftendem Tee brachte.
    Das Gesicht des Chinesen verzog sich zu einem fragenden Lächeln. » Einen Drachen, junger Herr? « Er wählte diese Anrede, weil er gesehen hatte, wie Niccolo ungeschickt in seinem Bündel gewühlt und dabei versehentlic h o ffenbart hatte, dass sich darin ein Säckchen mit Silberstücken befand. Es waren keine geprägten Münzen, sondern kleine Brocken aus Silber, die Niccolo in die landesübliche Währung umtauschen wollte.
    » Ich bin ein Gelehrte r «, brachte er seine Geschichte vor, » u nd offizieller Gast seiner Göttlichkeit am Kaiserhof i n P eking. « Er hatte keine Ahnung, wie weit die H

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