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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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auptstad t v on hier entfernt war, hoffte aber inständig, dass die Distanz nicht zu groß war, um ihn glaubwürdig erscheinen zu lassen. » Ich bin auf der Suche nach einem Drachen, und ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr mir sagen könntet, wo ich einen finden und erforschen kann. « Vielleicht war es ja durchaus von Vorteil, wenn man ihn für einen verschrobenen Trottel hielt.
    » Ein Gelehrter, so, so. « Der Wirt hob eine Augenbraue und knetete sich das Kinn mit Daumen und Zeigefinger. » Und ein Drache, nun ja … «
    Niccolo nickte.
    » Woher kommt Ihr, junger Herr? Ich meine, gebürtig. «
    » Aus Italien. «
    » Und gibt es dort Drachen? «
    » Nicht dass ich wüsste. «
    Der Mann schien keinen Schimmer zu haben, wo sich dieses Land befand, aber er fragte: » Warum solltet Ihr dann bei uns welche finden können? «
    Weil der Schattendeuter das behauptet hat, dachte Niccolo missmutig, aber laut sagte er: » Verehrt nicht ganz China die Drachen, weil sie Glück und Segen bringen? «
    » Das ist wahr. Aber wir verehren auch den Himmel über uns als Höchsten aller Götter, und doch kommen wir nicht nah genug an ihn heran, um ihn zu berühren. Nich t e inmal auf den Gipfeln der Heiligen Berge. Warum also sollte es mit den Drachen anders sein? «
    » Wollt Ihr damit sagen, es gibt keine lebenden Drachen im ganzen chinesischen Reich? «, fragte Niccolo mit einem Kloß im Hals. Die Erkenntnis, was das für sein Volk bedeutete, stieg wie Übelkeit in ihm auf.
    » O doch, junger Herr, es gibt sie gewiss. Irgendwo. Aber nicht in meinem Bambuswald, das kann ich Euch versichern. «
    Am Nebentisch lachte jemand, und Niccolo hatte das ungute Gefühl, dass er gerade mehr Aufmerksamkeit erregte, als ihm lieb sein konnte. Als wäre sein fremdländisches Äußeres in einer abgeschiedenen Gegend wie dieser nicht Grund genug, den Argwohn der Einheimischen zu entfachen.
    » Euer Tee wird kalt, junger Herr «, sagte der Wirt. » Vielleicht darf ich Euch einen neuen bringen? «
    » Danke. « Niccolo schüttelte den Kopf und schnürte das Bü n del so fest zu, dass der Wirt schmerzlich das Gesicht verzog. » Ein Becher reicht. «
    » Wie Ihr wünscht. « Beleidigt wandte der Mann sich ab und verschwand hinter seiner Theke.
    Niccolo hatte kaum einen Schluck genommen, als jemand klappernd einen Schemel an seinen Tisch zog und sich darauf niederließ. Seine Hand fuhr zum Dolchgriff – aber es war die linke, denn die rechte hielt den Becher, und ohnehin bezweifelte er, es mit Halsabschneidern oder Wegelagerern aufnehmen zu können. Falls er denn neben Schweinehirt und Kuhmelker überhaupt noch etwas anderes war, dann wohl tatsächlich eher Gelehrter als Kämpfer.
    Aber der Mann, der an seinem Tisch Platz nahm, sah nicht aus wie ein Raufbold oder Räuber. Er war nicht größer als Niccolo, jedoch sehr viel älter, beinahe ein Greis. Faltensterne und Furchenfächer ließen sein Gesicht verkniffen erscheinen, obwohl er Niccolo anlächelte. Als er sprach, stank sein Atem nach faulen Zähnen.
    » Einen Drachen suchst du, mein Junge. «
    » Das ist wahr «, gab er nach kurzem Zögern zurück.
    » Ich weiß, wo du einen finden kannst. «
    Niccolo kam sich mit einem Mal sehr jung vor, während er dem Alten gegenübersaß. Machte der Mann sich über ihn lustig? Verstohlen schaute Niccolo sich um, aber keiner der anderen schien zuzuhören. Falls der Mann sich auf seine Kosten einen Spaß erlaubte, dann nur zur eigenen Belustigung.
    Misstrauisch neigte Niccolo den Kopf. » Der Wirt hat gesagt, hier gibt es keine Drachen. «
    Ein zahnloses Grinsen zog die faltigen Mundwinkel auseina n der wie Vorhänge. » Dann hat er sich wohl geirrt. «
    Niccolo schaute noch einmal nervös nach rechts und links. » Verratet mir, wo ich einen finden kann. «
    » Einen halben Tag nördlich von hier. «
    » So nah? «
    » Näher wird er nicht kommen. « Der Alte beugte sich vor und senkte die Stimme. » Lotusklaue hasst Drachen. Wer, denkst du wohl, hat ihm das Loch in seinen Schädel geschlagen? Das war kein Mensch, glaub ’ s mir. Ein Drache war ’ s! Deshalb versteht Lotusklaue keinen Spaß, wenn es um Drachen geht. «
    Niccolo runzelte voller Zweifel die Stirn. » Ein Drach e s oll sich vor einem einfachen Mandschuhauptmann fürchten? «
    Der alte Mann stieß ein Kichern aus. » Nun, Junge, um das zu verstehen, musst du ein bisschen mehr über diesen einen ganz besonderen Drachen wissen. «
     
    DER DRACHE
     
    D ie Kerzen in den runden Papierlampions waren

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