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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ß lich weit genug voneinander entfernt waren, legte sich Pangu zur Ruhe und schlief ein. «
    » Warum ist der Himmel dann nicht wieder runtergefallen? «, fragte Nugua.
    » Papperlapapp! « Der Rattendrache winkte ungeduldig ab.
    Nugua wollte etwas erwidern, aber Niccolo kam ihr z u vor: » Der Aether hält ihn dort oben fest. «
    » Der was? «, fragte Feiqing.
    » Der Aether. Er schwebt über dem Himmel und hält ihn an Ort und Stelle. «
    » Nichts steht über dem Himmel. Tiandi ist allmächtig. «
    Geringschätzig hob Nugua eine Augenbraue. » Warum ve r wandelt er dich dann nicht wieder in einen Menschen? « Mit dem stumpfen Ende ihrer Stockwaffe stach sie in den weichen Drachenbauch. » Sicher kann er kaum mitansehen, wie schmu t zig du bist. «
    Niccolo dachte, dass der arme Feiqing beileibe nicht der Einzige war, der ein heißes Bad gebrauchen konnte.
    » Wollt ihr nun hören, wie es weiterging? «, fragte der Ratte n drache und setzte mit einem lauernden Blick in Nuguas Richtung hinzu: » Zum Beispiel mit den Drachen? «
    Niccolo nickte. » Sicher. «
    » Pangu ist im Schlaf gestorben. Da wurde sein Atem zu Wo l ken und Wind und seine Stimme zu Blitz und Donner. Sein linkes Auge wurde die Sonne, sein rechtes der Mond. Aus seinen Armen und Beinen wurden die vier Himmelsrichtungen, aus seinem Rumpf die Berge, aus seinen Adern die Wege und Pfade und aus seinem Blut – «
    » Die Flüss e «, sagte Niccolo und grinste. » Hab ich geraten. «
    Feiqing seufzte. » Bäume und Erdreich entstanden aus seinem Fleisch, Gras und Blumen aus seinem Haar. Seine Knochen und Zähne verwandelten sich zum Eisenerz im Boden. Und aus all den Läusen und Flöhen, die sich während seines langen Schlafs auf ihm eingenistet hatten, wurden wir Menschen. «
    » Und die Drachen? «, fragte Nugua ungeduldig.
    Feiqing winkte ab. » Die sind irgendwann zwischendurch entstanden. «
    » So war das nicht! «, entfuhr es ihr erbost.
    » Da sind natürlich noch all die Götte r «, sagte Feiqing, ohne ihren Einwurf zu beachten. » Davon gibt es tausende. Aber der größte von allen ist Tiandi, der Himmel selbst. Seine Frau ist Xiwangmu, die für das ewige Leben aller Götter sorgt. Sie pflegt den Garten, in dem die Pfirsiche der Unsterblichkeit wachsen. «
    Nugua ging schmollend ein wenig schneller, bis sie wieder den alten Abstand zwischen ihnen hergestellt hatte.
    Feiqing beugte sich näher zu Niccolo heran. » Natürlich gibt es da auch die Legende von der Göttin Nugua, die angeblich die ersten Menschen erschaffen hat. Es heißt, sie war selbst halb Mensch, halb Drache. «
    Niccolo lächelte. » Unsere Nugua ist bestimmt keine Göttin. «
    » Aber jemand hat sie nach der Göttin benannt. « Feiqing legte den Kopf schräg. » Und mich würde brennend interessieren, warum er gerade diesen Namen für sie ausgesucht hat. «
    * * *
    Am selben Abend erreichten sie den Großen Fluss Jangtse. Er strömte in weitem Bogen durch den Süden und Osten der Provinz Sichuan, und da wussten sie, dass sie ihrem Ziel, dem Drachenfriedhof, endlich näher gekommen waren.
    Die schwankende, halb verrottete Fähre war Niccolo nicht geheuer, aber noch viel mehr Sorgen machte ihm ein Posten der Mandschu am anderen Ufer. Doch die Soldaten hatten offenbar keinen Befehl erhalten, nach einem goldäugigen Jungen, einem Mädchen mit struppigem Haar und einem Tölpel in einem verschmutzten Drachenkostüm Ausschau zu halten. Niccolo gefiel es nicht, das s F eiqings Erscheinung so viel Aufsehen erregte, doch er war zugleich erleichtert, als man sie ungehindert ihres Wegs ziehen ließ; die Mandschu hielten sie für harmlose Gaukler.
    Die strohgedeckten Hütten am Ufer seien die letzte menschl i che Ansiedlung, erklärte ihnen ein Brotverkäufer, und so wanderten sie bald tiefer in einsames Bergland. Statt der weit gefächerten Ginkobäume wuchs hier wieder Bambus mit buschigen, ewig flüsternden Kronen. Auf höher gelegenen Felsspitzen beugten sich verkrüppelte Zedern über schroffe Abgründe. In den Zweigen über ihnen turnten kleine braune Affen und schienen sie auszulachen. Einmal sahen sie von weitem einen Pandabären durchs Unterholz streifen.
    Sieben Tage waren seit Niccolos Aufbruch von der Wolkeni n sel vergangen. Er machte sich Vorwürfe, dass er bislang keine greifbare Spur eines Drachen gefunden hatte, ganz zu schweigen von Aether. Wütend auf sich selbst musste er sich eingestehen, dass er womöglich nichts als einer verrückten Fantasterei Feiqings nachlief.

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