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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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wolltest – so wie vor ein paar Tagen, als du die Felsen hinuntergeklettert bist. « Er machte einen halben Schritt auf sie zu. » Glaubst du, ich wüsste nicht, was in dir vorgeht? Dein Vater erwartet von dir, dass du Herzogin wirst. Aber du selbst weißt nicht, ob du das wirklich willst. Und dann sind da die Priester und die anderen Ratsmi t glieder, die alle gegen dich sind und gar nicht begreifen, dass sie dich mit ihrem Widerwillen erst recht dazu treiben, das Erbe deines Vaters anzutreten. Nur um ihnen eins auszuwischen. Ich kenne dich, Alessia. Du warst schon als kleines Mädchen eigensinnig. Wenn man dir sagt, tu das nicht, dann tust du es erst recht. Nicht anders ist es mit der Herzogswürde. Solange sich alle gegen dich stellen und lautstark lamentieren, wirst du auf jeden Fall die Herzogin der Hohen Lüfte werden. Dabei wäre es so simpel – alle müssten sich nur zusammentun und dich bitten, das Erbe anzutreten. Und schon wärest du die Erste, die sich weigern würde. « Er schüttelte abermals den Kopf. » Aber das will einfach nicht in die Dickschädel dieser alten Narren hinein. Sie verst e hen dich nicht. Ganz im Gegensatz zu mir. «
    Das war genug, um sie zum Nachdenken zu bringen; später, wenn sie Zeit dazu hatte. Sie ballte die Fäuste und überlegte, ob er tatsächlich stärker wäre als sie. Sicher, er war ein Mann und viel älter als sie, aber er war auch hager wie ein Gerippe und sah alles andere als kräftig aus.
    » Ich habe nichts getan, das dem Volk der Hohen Lüfte sch a den könnt e «, sagte er sanft. » Ganz im Gegenteil. «
    » Das glaube ich dir nicht. «
    Er zuckte die Achseln. » Du hast gesagt, du hast di e K onstru k tionszeichnungen gesehen? Das heißt, du hast in meinem Turm herumgeschnüffelt. « Wieder beugte er sich kaum merklich vor. » Bist sogar unter mein Bett gekrochen. «
    » Das war ein dummes Verstec k «, gab sie zurück und musste zugleich daran denken, dass die zwölf Rollen jetzt unter ihrem Bett lagen.
    » Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Tochter des Herzogs in mein Schlafzimmer einbricht. «
    Er versuchte, sie zu verunsichern. Wollte, dass sie sich läche r lich vorkam. Nun, zumindest damit hatte er Erfolg.
    » Also? «, fragte er. » Was jetzt? «
    Sie straffte sich. » Jemand sollte nachsehen, wie es Seniore Mirandola geht. «
    Er hielt ihr die Lampe hin. » Hier. «
    Unschlüssig nahm Alessia sie entgegen. » Ich soll in den Schacht steigen? «
    » Du musst nur die Treppe hinuntergehen. Das ist nicht schwer. «
    » Das werde ich ganz sicher nicht tun. «
    » Dann wird der gute Mirandola wohl vergeblich auf Hilfe warten. Falls er noch wartet. Was ich, ehrlich gesagt, für ziemlich unwahrscheinlich halte. «
    » Ich möchte jetzt nach Hause gehen. « In ihren Eingeweiden grub die Panik wie ein in die Enge getriebenes Tier.
    » J a «, sagte er, » d as habe ich befürchtet. «
    » Ich – «
    Und dann wusste sie, warum er ihr die Lampe gegeben hatte.
    Der Schattendeuter trat rückwärts in die Finsternis, tauchte darin unter wie in einem stillen nächtlichen See.
    Sie setzte hinter ihm her. Die Lampe schwankte. Etwas schlug gegen das Glas, um es zu zertrümmern. Aber die Flamme erlosch nicht. Alessia hörte ein metallisches Quietschen, sah ganz kurz einen dunkelgrauen Streifen inmitten der Schwärze, eine huschende Gestalt.
    Die Pforte schlug zu. Der Schattendeuter war fort. Etwas klickte an der Außenseite.
    Alessia blieb allein in der Finsternis zurück.
     
    STRAßE AUS LAVA
     
    » Und ich dachte, Ihr seid ein Mönch. «
    Feiqing senkte enttäuscht den Blick und schaute auf seine unförmigen Füße. Die mandarinengroßen Zehen schlappten beim Laufen auf und ab wie Plüschbommeln.
    » Ein Mönch bin ich nich t «, sagte Meister Li. » Sonst würde ich andere nicht gegen Bezahlung durch die Wildnis führen, nicht wahr? « Er benutzte seine Schaufellanze wie einen Wanderstab und setzte das stumpfe Ende bei jedem Schritt in den Staub des Bergpfades. » Aber wenn es dich beruhigt, mein guter Feiqing, dann lass dir gesagt sein, dass ich sehr wohl ein Mann des Tao bin. « Feiqing schien noch nicht recht überzeugt und nickte eher halbherzig, daher setzte Li hinzu: » Ich bin ein Fangshi. «
    Niccolo horchte auf. Seit sie die Herberge verlassen hatten, hatte er kaum gesprochen. Die meiste Zeit über hatte er ve r sucht, die Erinnerung an Mondkind abzuschütteln, doch je stärker er das versuchte, desto deutlicher kehrten die Einzelhe i ten ihrer

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